Limnologen beobachten Algen-Mutationen in Echtzeit

Algenblüte an der Gewässeroberfläche G. Christiansen, ILIM

Cyanobakterien (phototrophe Mikroorganismen) zeigen in Gewässern durch klimatische und anthropogene Einflüsse bedingte Veränderungen an, z.B. durch das Auftreten von Algenblüten.

Diese kolonie-bildenden Cyanobakterien kommen in Seen und Fließgewässern häufig vor und beeinträchtigen die Wassernutzung und das Ökosystem, weil sie verschiedene Gifte bilden, allem voran das Microcystin.

Dieses leberschädigende Gift kann nach Aufnahme größerer Wassermengen bei Vieh und Mensch die Gesundheit beeinträchtigen. Forscher um Rainer Kurmayer vom Forschungsinstitut für Limnologie, Mondsee, der Universität Innsbruck haben nun die Basis dafür geschaffen, die Bildung dieser Gifte auf genetischer Ebene vorherzusagen.

Alternative zur Hochdurchsatzsequenzierung

Die Erbanlagen für die Synthese dieser Gifte unterliegen Veränderungen, die aufgrund der Vielzahl der involvierten Genorte nur schwierig in Echtzeit untersucht werden können. In einem soeben in BMC Microbiology erschienen Artikel dokumentieren Forscher der Universität Innsbruck, wie sie das durch die Isolation von Einzelfilamenten und die Verwendung sensitiver „Proof-Reading Polymerasen“ nun möglich gemacht haben.

Neben der morphologischen Analyse im Lichtmikroskop setzen sie genetische Einzelkolonie-Verfahren zur Charakterisierung der Entstehung einzelner Merkmale als auch zur quantitativen Erfassung der Expression wichtiger funktioneller Gene (z.B. Lichtschutz, Nährstoffassimilation) ein.

„Unser Einzelfilamentansatz stellt eine Alternative zur klassischen Hochdurchsatzsequenzierung dar. Bei unserer Methode werden zusätzliche Informationen eines Individuums wie die Wuchsform und verschiedene morphologische und ultrastrukturelle Merkmale gewonnen, woraus wichtige Erkenntnisse zur Ökologie und Nischendifferenzierung der Individuen abgeleitet werden können. Im Zuge des vom österreichischen Wissenschaftsfonds geförderten Projekts konnten wir nun erstmals jene Veränderungen in den Erbanlagen quantifizieren, die die Synthese von Microcystin beeinflussen“, erklärt Rainer Kurmayer.

Mutationen vorhersagen

Die beobachteten Mutationen führen entweder zur Löschung von Genorten oder stellen sogenannte springende Gene (Transposasen) dar, die anhand von kurzen Erkennungssequenzen durch Insertion in verschiedene Genorte Mutationen auslösen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass diese springenden Gene nicht zufällig aktiv sind, sondern ihre Aktivität mit repetitiven DNA-Abschnitten, die als Erkennungsregion dienen, korreliert. Dadurch ist es bedingt möglich, Mutationen vorherzusagen. Die Forscher wollen die molekularen Mutationsergebnisse durch phylogenetische Analysen und multivariate statistische Auswertungen mit den vor Ort gemessenen Umweltbedingungen in Zusammenhang bringen. „Dadurch können letztlich auch jene Habitate, die durch spezifischen Umweltstress wie Nährstoffeintrag, Erwärmung und UV-Strahlung besonderen selektiven Druck auf die Bildung von Microcystin ausüben, identifiziert werden“, resümiert Rainer Kurmayer.

Fachliche Rückfragen:
Ass.-Prof. Dr. Rainer Kurmayer
Forschungsinstitut für Limnologie, Mondsee
Universität Innsbruck
E-Mail: rainer.kurmayer@uibk.ac.at

Aussendung:
Dr. Sabine Wanzenböck
Öffentlichkeitsarbeit Forschungsinstitut für Limnologie, Mondsee
Universität Innsbruck
E-Mail: sabine.wanzenboeck@uibk.ac.at

http://bmcmicrobiol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12866-016-0639-1 Qin Chen, Guntram Christiansen, Li Deng, Rainer Kurmayer in BMC Microbiology: Emergence of nontoxic mutants as revealed by single filament analysis in bloom-forming cyanobacteria of the genus Planktothrix (DOI: 10.1186/s12866-016-0639-1)
https://www.uibk.ac.at/limno/personnel/kurmayer/ Rainer Kurmayer
http://www.uibk.ac.at/limno/research/projects/mobilomics/ FWF-Projekt

Media Contact

Mag. Stefan Hohenwarter Universität Innsbruck

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer