Grazer ForscherInnen entwickeln neues Modell zur Erklärung der Entstehung biologischer Vielfalt

Buntbarsche der Gattung Tropheus aus der Population Ilangi, einer der im Tanganjikasee vorkommenden gelben Hybridpopulationen www.pisces.at/Wolfgang Gessl

„Dass sich durch Kreuzung von Tieren verschiedener Populationen ein neuer Phänotyp entwickelt, der über viele Generationen erhalten bleibt, kommt in der Natur nicht oft vor“, weiß Univ.-Prof. Dr. Kristina Sefc vom Institut für Zoologie der Uni Graz, Erstautorin der aktuellen Publikation.

„Denn damit sich eine Hybrid-Population mit eigenen Merkmalen halten kann, darf es zu keiner weiteren Vermischung mit den Elternlinien kommen.“ Möglich, allerdings sehr selten ist, dass nur mehr Exemplare des eigenen Phänotyps als PaarungspartnerInnen erkannt werden.

Häufiger ist es der Fall, dass sich die neue Population ökologisch so stark von ihren Vorfahren unterscheidet, dass sie sich einen neuen Lebensraum sucht, weil sie beispielsweise ein sonnigeres Habitat bevorzugt.

Zu einer räumlichen Trennung können aber auch Umweltveränderungen, die natürliche Barrieren entstehen lassen, führen. Letzteres beschreiben die Grazer WissenschafterInnen in ihrem „Shifting Barriers Model“.

Das Modell, das grundsätzlich für unterschiedliche Organismen gelten kann, ist das Ergebnis der Forschungen an den roten, blauen und gelben Tropheus-Populationen im Tanganjikasee. Die untersuchten Buntbarsche leben alle entlang der felsigen Bereiche des Seeufers, wobei die gelben nur an einem rund 30 Kilometer langen Abschnitt zu finden sind, der an beiden Enden durch sandige Abschnitte, auf einer Seite im Mündungsbereich des großen Lufubu-Flusses, begrenzt wird.

Weil diese Fische in Bezug auf ihren Lebensraum hoch spezialisiert sind, stellt Sand eine Barriere für sie dar und verhindert, dass sie auf ihre roten und blauen ArtgenossInnen treffen, die andere Uferregionen bewohnen. Sonst würden sie sich mit ihnen paaren, wie Experimente im Labor gezeigt haben.

Wie aber kam es dann zur Kreuzung? „Umweltveränderungen haben die Anordnung der Barrieren zwischen den Lebensräumen der verschiedenen Fischpopulationen entlang der Küstenlinie so verändert, dass die roten und blauen in Kontakt kommen konnten, während ihre Kreuzungsprodukte sofort räumlich von den Elternlinien getrennt wurden“, erklärt Sefc.

Vor rund 100.000 Jahren lag der Wasserspiegel mehr als 400 Meter tiefer, und die Uferlinie sah völlig anders aus. Damals gab es den Lufubu als Barriere nicht.

„In dieser Zeit ist wahrscheinlich der neue Phänotyp entstanden“, vermutet die Forscherin. Diese Annahme passt auch zur Tatsache, dass unter den gelben Buntbarschen wiederum bereits mehrere verschiedene Populationen entstanden sind. Das deutet darauf hin, dass die Hybridisierung bereits lange zurückliegt.

Bei ihren Analysen wurden die ZoologInnen von KollegInnen aus der Analytischen Chemie der Uni Graz unterstützt.

Publikation:
Shifting barriers and phenotypic diversification by hybridization
Sefc, Kristina; Mattersdorfer, Karin; Ziegelbecker, Angelika; Neuhüttler, Nina; Steiner, Oliver; Goessler, Walter; Koblmüller, Stephan
Ecology Letters, DOI: 10.1111/ele.12766

Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Kristina Sefc
Institut für Zoologie der Karl-Franzens-Universität Graz
Tel.: 0043 (0)316/380-5601
E-Mail: kristina.sefc@uni-graz.at

http://doi.wiley.com/10.1111/ele.12766 Publikation

Media Contact

Mag. Gudrun Pichler Karl-Franzens-Universität Graz

Weitere Informationen:

http://www.uni-graz.at

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer