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Sie konnten aus der Pupillenausdehnung mit großer Sicherheit bestimmen, welche Entscheidung eine Versuchsperson getroffen hat, der nacheinander eine Reihe von Zahlen zur Auswahl geboten wurde. Die Forscher um den Marburger Neurophysiker Dr. Wolfgang Einhäuser-Treyer veröffentlichten ihre Ergebnisse in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift „Frontiers in Human Neuroscience“.

Ob beim Flirten an der Bar oder beim Pokerspiel – oftmals entscheidet das richtige Timing über unseren Erfolg. Dabei gilt es als vorteilhaft, die eigenen Entscheidungen zu verbergen. Die Autoren des vorliegenden Aufsatzes untersuchten, ob der Pupillenreflex einen Einblick in Entscheidungsprozesse ermöglicht, bevor diese aus freien Stücken offenbart werden. „Die Pupille allein erlaubt dabei Vorhersagen in ähnlicher Qualität, wie sie mit ungleich größerem Aufwand durch Kernspintomographen erzielt werden“, erläutert Erstautor Einhäuser-Treyer von der Philipps-Universität.

Die Vergrößerung und Verkleinerung der Pupillen steuert den Lichteinfall ins Auge. Das kann aufgrund von Änderungen der Lichtverhältnisse geschehen, aber auch bei konstanter Beleuchtung zum Beispiel als Schreckreaktion. Der Reflex ist mit der Ausschüttung des Hormons Noradrenalin verbunden, das bei Tieren auch im Zusammenhang mit Entscheidungsprozessen und Gedächtnisleistungen steht. Ausgangspunkt der aktuellen Studie war die Frage, ob ähnliche Prozesse für kognitive Entscheidungen wichtig sind. Dabei wurde die Pupillenerweiterung als Maß für die Noradrenalin-Ausschüttung verwendet.

In einem der berichteten Experimente wurden die Probanden gebeten, zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb von zehn Sekunden einen Schalter zu betätigen. In weiteren Versuchsreihen wurden nacheinander fünf Zahlen präsentiert, von denen eine ausgewählt werden sollte, ohne das Ergebnis bekannt zu geben. In allen Fällen waren die Wissenschaftler in der Lage, allein aus der Pupillenerweiterung vorherzusagen, wann der Schalter gedrückt wurde oder auf welche Zahl die Entscheidung fiel. „Unsere Befunde legen den Schluss nahe, dass verborgenen und offenen Entscheidungen ähnliche Mechanismen zugrunde liegen“, resümieren die Autoren.

Originalpublikation: Wolfgang Einhäuser, Christof Koch & Olivia L. Carter: Pupil dilation betrays the timing of decisions. Frontiers in Human Neuroscience 4 (2010), 1-9, doi: 10.3389/fnhum.2010.00018

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Wolfgang Einhäuser-Treyer,
Arbeitsgruppe Neurophysik
Tel. (Sekretariat): 06421 28-24160
E-Mail: wet@physik.uni-marburg.de

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