Zahnersatz mit Miesmuschel-Kleber

Miesmuscheln sind für Feinschmecker ein Genuss. Uneingeschränkte Kaufreuden bis ins Alter könnten die Meerestiere jedoch auch auf eine ganz andere Art ermöglichen. Sie sind nämlich wahre Klebekünstler: Miesmuscheln haften mit Hilfe so genannter Byssusfäden auf Metall, Holz, Glas oder Knochen und halten so selbst der aggressiven Brandung der Nordsee stand.

Sie scheiden aus einer Drüse Klebeproteine aus, die vielen technischen Klebern überlegen sind. Die Kleberproteine härten im Wasser aus, sind dort lange beständig, besitzen hohe Festigkeit und sind trotzdem elastisch. Diese Eigenschaften machen sie als Klebstoff für medizintechnische Anwendungen hochinteressant.

Ausgehend von einer Idee des Biotechnik-Zentrums (BitZ) der Technischen Universität Darmstadt, die Potentiale des Muschelklebers nutzbar zu machen, entwickelte eine daraufhin zusammengestellte nationale Forschergruppe ein bionisch inspiriertes Forschungsprojekt für Implantate in der Zahnmedizin. Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines neuartigen Feuchtklebstoffs für den Einsatz in der Zahn-Implantologie, der hauptsächlich aus den Klebeproteinen der Miesmuschel Mytilus edulis und synthetischen Trägermaterialien (Polymeren) besteht. Der Aufbau der Klebeproteine wurde am Fraunhofer IFAM in der Arbeitsgruppe „Biomolekulares Oberflächen- und Materialdesign“ untersucht. Den Wissenschaftlern um Dr. Klaus Rischka ist es gelungen, diese Proteine synthetisch herzustellen und daraus neue Super-Klebstoffe zu entwickeln.

Bei der Suche nach der optimalen Zusammensetzung des Klebers sollen verschiedene Mischungen getestet werden. Neben der Verträglichkeit des Klebers mit unterschiedlichen Geweben stehen seine physiko-chemischen und mechanischen Eigenschaften im Vordergrund. Sie werden an der TU Darmstadt vom Biotechnikzentrum (BitZ) und der Staatlichen Materialprüfungsanstalt (MPA) untersucht.

Ein Einsatz des Muschelklebers wird nach Ansicht von Projektleiter Robert Sader nicht auf die Zahnmedizin beschränkt bleiben: „Wenn es so klappt, wie wir uns das vorstellen, könnte man zukünftig zum Beispiel eine Herzklappe einkleben anstatt sie einzunähen.“ Mit einer kurzfristigen Markt-Einführung eines konkreten Produkts ist allerdings vorerst nicht zu rechnen – medizinische Innovationen müssen langwierige Tests und klinische Studien durchlaufen, bevor sie zugelassen werden.

Für den „Super-Kleber“ interessiert sich auch das Bundesforschungsministerium: Beim dort ausgeschriebenen Innovationswettbewerbs „Medizintechnik 2007“ wurde das Forschungsprojekt als eines von insgesamt 13 Gewinnern ausgezeichnet. Für die Durchführung eines Schlüsselexperiments ist eine Summe von rund 300.000 Euro in Aussicht gestellt.

Projektbeteiligte:

Uniklinik Frankfurt, Prof. Dr. Dr. Robert Sader

Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM), Bremen

Straumann GmbH, Freiburg/Basel

Biotechnik-Zentrum (BitZ) der Technischen Universität Darmstadt

Staatliche Materialprüfungsanstalt (MPA) an der TU Darmstadt,
Prof. Dr.-Ing. Christina Berger
Ansprechpartner:
Dr. Hendrik Bargel, Biotechnik-Zentrum (BitZ), TU Darmstadt,
Petersenstr. 20, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151-16 6605, eMail: bargel@bitz.tu-darmstadt.de

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Lars A. Rosumek idw

Weitere Informationen:

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