Wie sich Pflanzen gegen Eindringlinge wehren

Wie Menschen und Tiere müssen sich auch Pflanzen häufig gegen Krankheitserreger zur Wehr setzen. Die erste Verteidigungslinie gegen eindringende Mikroorganismen bildet die unspezifische Immunität. Diese beruht darauf, dass Pflanzen in ähnlicher Weise wie Tiere auf der Ebene der Moleküle Selbst und Fremd unterscheiden können.

Ein Bakterium, das in eine Pflanze eindringt und dort eine Krankheit auslösen könnte, verrät sich dann, wenn in seiner Zelle ein Stoff vorkommt, den es im Stoffarsenal der Pflanze selbst gar nicht gibt. Hat die Pflanze einen solchen Stoff als fremd erkannt, wird eine Signalkette in ihren Zellen in Gang gesetzt, die schließlich zu Gegenmaßnahmen führt, etwa der Bildung von Abwehrstoffen oder der vorbeugenden Auflösung und Abstoßung des infizierten Gewebes.

Diese Vorgänge sind vor allem bei Pflanzen noch längst nicht in allen Details bekannt. Dr. Birgit Kemmerling, Prof. Georg Felix und Prof. Thorsten Nürnberger vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) der Universität Tübingen haben nun in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern von den Universitäten Basel und Norwich sowie dem Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln eine neue Etappe in der Signalkette der Pathogenabwehr bei der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, der Modellpflanze der Genetiker, erforscht. Sie sind dabei ganz unerwartet auf einen Hormonrezeptor gestoßen, der Forschern bereits aus den Wachstums- und Entwicklungsprozessen in Pflanzen bekannt ist. Die Forschungsergebnisse sind nun in einer Online-Vorabveröffentlichung der Fachzeitschrift Nature unter www.nature.com publiziert.

Die Arabidopsis-Pflanze besitzt einen speziellen Rezeptor, der das molekulare Muster des Eiweißstoffes Flagellin erkennt. Flagellin kommt in der Geißel (Flagelle) von Bakterien vor, die sich durch Rotieren dieses langen Zellanhängsels in Flüssigkeiten fortbewegen können. Dringen zum Beispiel krankheitserregende Bakterien des Stammes Pseudomonas syringae in die Pflanze ein, verraten sie sich unwillkürlich durch das Flagellin in ihrer Geißel. Denn die Pflanze selbst enthält diesen Stoff überhaupt nicht und kann ihn mit Hilfe des Rezeptors als fremd erkennen. Das Flagellin ist ein Beispiel für ein so genanntes pathogen-assoziiertes molekulares Muster (abgekürzt PAMP), das in den geißeltragenden Bakterien immer wieder in gleicher Form auftritt.

Bisher wissen die Forscher noch wenig darüber, was passiert, nachdem ein Stoff mit passendem PAMP sich an den entsprechenden Rezeptor der Arabidopsis-Pflanze gebunden hat. Bekannt ist nur, dass am Ende der Signalkaskade die Immunantwort auf die krankheitserregenden Bakterien steht. Dabei werden hunderte von Genen aktiviert, die ein ganzes Spektrum von Abwehrreaktionen in Gang setzen. Die Tübinger Wissenschaftler haben nun ein Protein BAK1 gefunden, das innerhalb der ersten Minuten nach der Stimulation der Pflanze mit Flagellin zusammen mit dem Flagellinrezeptor FLS2 einen Komplex bildet. In mutierten Pflanzen, die BAK1 nicht bilden können, wird das Flagellin wie sonst auch an den Rezeptor gebunden, aber die Antworten auf Flagellin bleiben aus. Das deutet darauf hin, dass BAK1 bei der Aktivierung des Flagellinrezeptors als Co-Rezeptor eine wichtige Rolle spielt. Das war auch für die Forscher überraschend. Denn das Protein BAK1 war bisher nur aus einem ganz anderen Zusammenhang bekannt: Es reguliert einen bestimmten Pflanzenhormonrezeptor für Brassinosteroide und nimmt dabei Einfluss auf die Pflanzenentwicklung. Es hat also den neuesten Ergebnissen zufolge eine Doppelrolle und vermittelt auch die Immunität auf eindringende Bakterien.

Erst kürzlich veröffentlichten Dr. Birgit Kemmerling und Prof. Thorsten Nürnberger unter Mitarbeit weiterer Wissenschaftlerinnen aus der Abteilung Pflanzenbiochemie des Zentrums für Molekularbiologie der Pflanzen, Anne Schwedt, Patricia Rodriguez und Sara Mazzotta, dazu passende Ergebnisse in der Fachzeitschrift Current Biology. Sie konnten nachweisen, dass die beiden Signalwege in der Pathogenabwehr und der Pflanzenentwicklung, an denen BAK1 beteiligt ist, tatsächlich völlig getrennt voneinander reguliert werden.

Nähere Informationen:

– Die Publikation in „Nature“
Delphine Chinchilla, Cyril Zipfel, Silke Robatzek, Birgit Kemmerling, Thorsten Nürnberger, Jonathan D. G. Jones, Georg Felix, Thomas Boller: A flagellin-induced complex of the receptor FLS2 and BAK1 initiates plant defence. Nature, Online-Vorabveröffentlichung, 11. Juli 2007, http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/index.html
– Die Publikation in „Current Biology“
Kemmerling B, Schwedt A, Rodriguez P, Mazzotta S, Frank M, Qamar SA, Mengiste T, Betsuyaku S, Parker JE, Mussig C, Thomma BP, Albrecht C, de Vries SC, Hirt H, Nürnberger T.: The BRI1-Associated Kinase 1, BAK1, Has a Brassinolide-Independent Role in Plant Cell-Death Control. Curr Biol. 2007 Jul 3;17(13):1116-22.
Ansprechpartner:
Prof. Georg Felix, Tel. 0 70 71/2 97 66 72, georg.felix@zmbp.uni-tuebingen.de
Prof. Thorsten Nürnberger, Tel. 0 70 71/2 97 66 58, nuernberger@zmbp.uni-tuebingen.de
Dr. Birgit Kemmerling, Tel. 0 70 71/2 97 66 54, birgit.kemmerling@zmbp.uni-tuebingen.de
ZMBP – Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen
Pflanzenbiochemie
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72076 Tübingen
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