Mythos des ursprünglichen Karats widerlegt

Karob-Schoten am Baum UZH

Ein Diamant von einem Karat wiegt ungefähr so viel wie ein Samen des mediterranen Johannisbrotbaumes (Karob). Das ist kein Zufall. Die Karobkerne wurden früher zum Wägen wertvoller Steine verwendet, weil sie sich im Gewicht kaum unterscheiden. Das stimmt allerdings nicht, wie Forscher der Universität Zürich in einer Studie zeigen, die in der Fachzeitschrift „Biology Letters“ veröffentlicht wird.


Wissenschaftler der Universität Zürich und des Mediterranen Instituts für Fortgeschrittene Studien, Mallorca, sind dem Mythos des konstanten Karobgewichts auf den Grund gegangen. „Dieser Mythos ist weit verbreitet und wurde noch nie genauer untersucht“, sagt Lindsay Turnbull, Leiterin der Studie. „Deshalb waren wir sehr gespannt, ob sie auch stimmt.“ Die Wissenschaftler haben Karobsamen auf Mallorca gesammelt und gewogen. Das Ergebnis überrascht. Das Gewicht der Karobkerne ist etwa gleich variabel wie das Gewicht von Samen anderer Arten.

„Damit endete unser Interesse jedoch nicht“, kommentiert Luis Santamaria vom Mallorca-Team, „wir wollten verstehen, wie der Mythos entstanden ist und wendeten uns der menschlichen Wahrnehmung zu.“ Die Wissenschaftler zeigten Versuchsteilnehmern jeweils zwei Samen und forderten sie auf, mit blossem Auge zu entscheiden, welcher der Samen leichter bzw. schwerer ist. „Wir waren überrascht wie gut sie das konnten“, fügt Santamaria hinzu. Die Probanden konnten ohne Probleme Gewichtsunterschiede von ungefähr 5 Prozent (einem Hundertstel Gramm) erkennen. Diese Fähigkeit benutzen die Menschen und sonderten Karobsamen mit starken Gewichtsunterschieden aus. Dadurch wurde wahrscheinlich die hohe Zuverlässigkeit der Masseinheit Karat erreicht.

Um zu überprüfen, ob sich die menschliche Auswahl auf das „konstante“ Karobsamengewicht ausgewirkt hat, verglichen die Wissenschaftler vor-metrische Karatgewichte der ganzen Welt miteinander. Diese unterscheiden sich von Ort zu Ort, aber bezeichnenderweise liegt die Streuung bei 5 Prozent und nicht bei 25 Prozent, wie sie in einer zufälligen Auswahl von Karobsamen vorkommt. „Es scheint, als ob die Streuung von 5 Prozent die menschliche Selektionsfähigkeit widerspiegelt“, meint Turnbull.

Diese Ergebnisse geben Aufschluss über die Entstehung altertümlicher Messsysteme. Nicht das aussergewöhnlich konstante Samengewicht des Johannisbrotbaumes, sondern die bemerkenswert gute Fähigkeit des Menschen, Gewichtsunterschiede zu erkennen, haben zur verlässlichen Masseinheit Karat geführt. Da der menschliche Einfluss vorher nicht erkannt wurde, wurde das „konstante“ Samengewicht fälschlicherweise der natürlichen, anstatt der menschlichen Selektion zugeschrieben.

Kontakt:

Lindsay Turnbull, Institut für Umweltwissenschaften, Universität Zürich
Tel: +41 44 635 61 20
lindsayt@uwinst.unizh.ch

Prof. Andy Hector, Institut für Umweltwissenschaften
Tel: +41 44 635 48 04
ahector@uwinst.unizh.ch

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Beat Müller idw

Weitere Informationen:

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