Dem Geheimnis der Sprache auf der Spur

Leipziger Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft wird nach jüngster Entscheidung der Gremien der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Gestalt der Forschergruppe 742 „Grammatik und Verarbeitung verbaler Argumente“ gefördert. Sprecher ist Prof. Dr. Gereon Müller vom Institut für Linguistik der Universität Leipzig. Eine Forschergruppe, in der nach DFG-Maßstab „mehrere herausragend ausgewiesene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ zusammenarbeiten, wird bis zu sechs Jahre finanziell unterstützt.

In der neuen Forschergruppe arbeiten Wissenschaftler der Institute für Linguistik und für Slavistik sowie der Max-Planck-Institute für Evolutionäre Anthropologie und für Kognitions- und Neurowissenschaften zusammen. Im Zentrum der Arbeit steht, so Gereon Müller, die Natur der menschlichen Sprachfähigkeit im Allgemeinen und der Kern der Grammatik, die Beziehung zwischen Verb und Argument, im Besonderen. Mit Argument werden die ein, zwei, drei etc. „Mitspieler“ (Satzglieder) bezeichnet, die dem „Mannschaftskapitän“ Verb obligatorisch oder optional zur Seite stehen. Diese Information zum Verb ist im Lexikon des Sprechers, also im Gehirn, gespeichert, was die Kooperation mit der Hirnforschung nahe legt. Zum Beispiel sind beim Verb „sehen“ zwei Mitspieler gegeben: das sehende Subjekt, das belebt sein muss, und das, was gesehen wird, das Objekt, das Thema. Diese Ebene der Betrachtung, eine lexikologische, bezieht sich auf die Argumentstruktur. Eine weitere Ebene, die syntaktische, gilt der Argumentrealisierung, in der untersucht wird, wie Informationen über die Mitspieler zu grammatischen Funktionen (Objekt, Subjekt usw.) werden. Die dritte Ebene, die morphologische, wendet sich der Argumentkodierung zu, mithin der Frage, wie die grammatischen Funktionen sichtbar werden, etwa durch die Flexion von Wörtern (z. B. Kasusendung). Die vierte Betrachtungsebene, die semantische, zielt auf die Argumentinterpretation, wo die Bedeutung der Mitspieler analysiert wird. Da diese Grammatikforschung Typologie-basiert, anhand einer Vielzahl von unterschiedlichen Sprachen geleistet wird, besteht die Möglichkeit und auch der Reiz darin, wie Prof. Müller unterstreicht, immer wiederkehrende Muster im grammatischern Verhalten von verbalen Argumenten zu finden.

Das von Linguisten zur Verfügung gestellte sprachliche Datenmaterial trifft dann, wenn man den eingangs erhobenen Anspruch in Bezug auf die Erforschung der Sprachfähigkeit wieder in den Blick nimmt, auf Erkenntnisse der Kognitionsforschung, wie sie etwa mit der Methode zur Messung elektrischer Gehirnströme gewonnen werden. Und damit rückt die Hauptaufgabe der Forschergruppe in den Mittelpunkt, die Lücke zwischen Psycholinguistik und allgemeiner Sprachwissenschaft zu schließen bzw. beide näher zusammenrücken zu lassen, indem neue Erkenntnisse über die Organisation der Grammatik und deren Verarbeitung im menschlichen Gehirn zusammengeführt werden.

Dem Geheimnis der Sprache auf die Spur zu kommen, stellt im Übrigen eine alte, gleichwohl international viel beachtete Leipziger Forschungsrichtung dar. Man denke an die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft, wie sie die sog. Junggrammatiker am Ende des 19. Jahrhunderts verkörperten. Sie begriffen wie wir heute, so Gereon Müller, die Sprachwissenschaft als einen Forschungsgegenstand, dem man sich auf der Grundlage von einzelsprachlichen Daten mit formaler Präzision und unter theoretischer Abstraktion nähern muss, weil in der Sprache Gesetze mit Naturnotwendigkeit wirken. Die Reihe der bedeutenden Namen reicht von Brugmann, Delbrück, Leskien bis hin zu dem Begründer des Strukturalismus, Ferdinand de Saussure, der in Leipzig promoviert hat – und zwar zum Genitiv in den indoeuropäischen Sprachen, einem Thema, das perfekt in den Arbeitszusammenhang der neuen Forschergruppe passen würde. In dieser Tradition sehen sich die in der Forschergruppe vereinten Leipziger Sprachwissenschaftler.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Gereon Müller
Telefon: 0341 97-37611
E-Mail: gereon.mueller@uni-leipzig.de

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Volker Schulte idw

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