Chronische Darmentzündungen: erfolgreiche Suche nach den genetischen Ursachen

An der Entstehung der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind mehrere Hundert Gene beteiligt. Das haben Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) und des Kompetenznetzes-Darmerkrankungen herausgefunden. Die Kieler Forscher um Professor Stefan Schreiber verglichen mithilfe von Hochdurchsatzverfahren die Aktivität von mehreren Zehntausend Genen in der Darmschleimhaut gesunder und erkrankter Menschen. Ergebnis: Bei Morbus Crohn sind 500, bei Colitis ulcerosa 272 Gene unterschiedlich reguliert. Für circa 40 Prozent dieser Gene war bisher nicht bekannt, dass sie bei chronischen Darmerkrankungen eine Rolle spielen. In Deutschland leiden schätzungsweise 300.000 Menschen an Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.

„Wir haben bei den meisten Genen festgestellt, dass sie im kranken Gewebe weniger aktiv sind. Dadurch können die Zellen der Darmschleimhaut viele Funktionen nicht mehr ausführen“ erklärt Schreiber, der das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt leitet. Bei Morbus Crohn-Patienten sind durchschnittlich 84 Prozent der identifizierten Gene in ihrer Aktivität herabgesetzt – bei Colitis ulcerosa-Patienten durchschnittlich 42 Prozent.

122 der gefundenen Gene spielen bei beiden Krankheiten eine Rolle. „Die Aktivität dieser Gene ist dann ohne Ausnahme bei beiden Krankheitsformen entweder erhöht oder verringert. Ein Gen, das zum Beispiel bei Morbus Crohn mehr Aktivität zeigt, aber bei Colitis ulcerosa weniger aktiv ist, konnten wir nicht finden“, so Schreiber weiter. Das spricht dafür, dass beiden Darmkrankheiten der gleiche Entzündungsprozess zugrunde liegt. Schreiber: „Kein Wunder, dass bei beiden Krankheiten oft dieselbe Therapie wirksam ist.“

Schreiber und seine Mitarbeiter ordneten die gefundenen Gene verschiedenen Gruppen zu. Demnach lösen viele der auffälligen Gene eine gestörte Immunantwort aus. Bei der Colitis ulcerosa sind außerdem häufig Gene betroffen, die für Zellwachstum und -vermehrung verantwortlich sind. Wenn diese grundlegenden zellulären Prozesse gestört sind, kann Krebs entstehen – eine Komplikation, die bei Colitis ulcerosa als Spätfolge häufig auftritt.

„Durch die Studie konnten wir tiefere Einblicke in die Krankheitsmechanismen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen gewinnen“, erläutert Schreiber. „Damit eröffnen sich neue Angriffspunkte für Therapien. Im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes und der Kompetenznetze in der Medizin fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Etablierung neuer wissenschaftlicher Ressourcen in Deutschland. Dies hat hier erneut zu einem international messbaren Erfolg in der Aufklärung von Zivilisationskrankheiten geführt.

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Birgit Bott idw

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