RUBIN 2/00: Forscher entschlüsseln Bakterienstrukturen


Den Arbeitsweisen der Bakterien sind die Bochumer Mediziner Prof. Dr. Sören Gatermann und Dr. Wolfgang Hell (Medizinische Mikrobiologie) auf die Schliche gekommen: Sie untersuchten ein Protein, das sowohl für die Anheftung der Bakterien an Stoffe im menschlichen Körper zuständig ist als auch für ihr Wachstum. Im Kampf gegen antibiotikaresistente Stämme könnten diese Erkenntnisse wichtige Ansatzpunkte sein. Schaltet man das Protein aus, verklumpen die Bakterien und sind für das Immunsystem besser angreifbar. Über die Ergebnisse dieser Forschungen berichtet das aktuelle RUBIN 2/2000 – Wissenschaftsmagazin der RUB.

Das böse Erwachen: resistente Stämme

Noch vor 30 Jahren schien das Zeitalter der Infektionen vorbei; blind vertraute man der Entwicklung neuer Antibiotika. Doch das böse Erwachen blieb nicht aus: Es war nur eine Frage der Zeit, bis Mikroorganismen resistent gegen die Medikamente waren. Besonders in Kliniken, wo viele Antibiotika eingesetzt werden, entwickeln sich Bakterien, die sogar gegen mehrere Substanzen resistent sind. Was also tun? Die Suche nach natürlichen wirksamen Substanzen ist aufwändig und nur selten erfolgreich. Vielversprechender ist es, gezielt in die Mechanismen der Bakterien einzugreifen, die Krankheiten verursachen. Obwohl jedoch der Ablauf von Infektionen weitgehend bekannt ist, wissen die Forscher noch wenig darüber, welche Bestandteile eines Bakteriums mit welchen Molekülen des Wirts interagieren. Normalerweise ist ein Protein für die Anheftung an Wirtszellen verantwortlich.

Protein mit Doppelfunktion

Bei ihren Untersuchungen an Staphylokokken entdeckten die Mediziner ein Protein, das ein Protein auf roten Blutzellen erkannte. Andere Bestandteile des Körpers, die von Bakterienproteinen erkannt werden, sind Proteine, die Zellen verbinden, z. B. Fibronektin. Es stellt eigentlich Brücken zwischen menschlichen Zellen her, wird aber von Bakterien gern ausgenutzt – nicht nur um den Kontakt herzustellen, sondern auch, um sich vor dem Immunsystem zu schützen, das nicht angreift, wenn das Bakterium von körpereigenem Stoff umgeben ist. Um weitere mögliche Ziele der Anheftung zu ermitteln, bestimmten die Forscher die Aminosäuresequenz des Bakterienproteins. Dabei erlebten sie eine Überraschung: Es zeigte sich eine Ähnlichkeit zu einem Protein eines verwandten Bakteriums, dessen Hauptfunktion jedoch in der Synthese bakterieller Zellwände besteht. Es enthält Enzyme, sogenannte Autolysine, die für Zellwachstum und -teilung notwendig sind. Autolysine lösen Zellverbände auf, damit sich an den entstehenden Öffnungen neues Material bilden kann. Das Protein hat also zwei Funktionen: Neben dieser enzymattischen Aktivität ist es auch an der Anheftung beteiligt. Bakterien, die sich an Wirtszellen angeheftet haben, müssen demnach zuerst wachsen, bevor sie in die Tiefe eindringen können.

Viele Bakterien auf einen Streich erwischen

Eine Bekämpfungsstrategie könnte also sein, diese Funktion zu beeinträchtigen. Würde das Autolysin nicht mehr funktionieren, wäre das Wachstum der Bakterien verlangsamt und sie würden außerdem verklumpen, weil es nicht mehr bei der Auflösung von Zellverbänden helfen könnte. Dadurch wäre es für das Immunsystem leichter anzugreifen – es könnte gleich viele Bakterien auf einen Streich erwischen. Von einer Entwarnung sind wir dennoch weit entfernt. Zunächst müssen die Wissenschaftler Substanzen finden, die diese Beeinträchtigung der Bakterienfunktionen bewirken. Außerdem vermuten sie, dass die Mikroorganismen auch gegen diese Art der Bekämpfung Resistenzen ausbilden können.

Außerdem in RUBIN 2/00
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in RUBIN 2/00, wo Sie außerdem folgende Themen finden: Sich selbst vis-à-vis: Was Elstern wahrnehmen; Wenn der Whisky ins Glas rieselt – na dann prost!; Netzwerksicherheit – (k)ein Thema für Sozialwissenschaftler; Geographie des Protestantismus: Zahlen versus Mythen; Den alten Hüttenleuten auf die Finger geschaut;. RUBIN ist bei der Pressestelle (UV 3/368) für 5 DM erhältlich und steht im Internet: http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rubin.htm.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Sören Gatermann, Dr. Wolfgang Hell, Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-26467, -27887, Fax: 0234/32-14-197

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