Bakterien-Vesikel als neuartige Therapieform gegen Infektionskrankheiten?
Weltweit nimmt die Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika dramatisch zu. Es wird geschätzt, dass bis zum Jahr 2050 jährlich bis zu zehn Millionen Menschen an nicht-behandelbaren Infektionen sterben könnten.
Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen gefährliche Krankheitserreger sind auch Wissenschaftler am Saarbrücker Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einem Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI).
Zu ihnen gehört Prof. Rolf Müller, der mit seinem Team an Myxobakterien arbeitet. Diese Bodenbakterien produzieren eine ganze Reihe antibiotisch wirksamer Substanzen, die sich als Ausgangsstoffe für neue Antibiotika eignen. Dies gilt auch für das Bakterium Cystobacter velatus.
Welche Mechanismen dieses Myxobakterium für die Herstellung antibiotischer Wirkstoffe nutzt, wollten die Saarbrücker Wissenschaftler in der aktuellen Arbeit herausfinden.
Dazu nahm die Arbeitsgruppe „Biogene Nanotherapeutika“ von Dr. Gregor Fuhrmann nun erstmals so genannte Außenmembran-Vesikel von Cystobacter velatus unter die Lupe: „Das sind winzige Bläschen, die die Bakterien durch Ausstülpen ihrer äußeren Membran herstellen“, erläutert Fuhrmann, der die Vesikel gemeinsam mit seinen Doktorandinnen Eilien Schulz und Adriely Goes untersucht hat.
„Dabei haben wir entdeckt, dass die Bläschen mit dem antibakteriellen Wirkstoff Cystobactamid gefüllt sind.“ Das Interessante sei, dass die extrazellulären Vesikel zumindest in einfachen Zellmodellen auf menschliche Zellen nicht toxisch wirken, jedoch Bakterien abtöten können.
Die beiden Doktorandinnen zeigten dies, indem sie die Vesikel an menschlichen Immun- und Gewebezellen testeten. In weiteren Versuchen konnten sie nachweisen, dass Cystobactamid das gramnegative Modellbakterium Escherichia coli abtötet.
Für Gregor Fuhrmann sind diese Ergebnisse vielversprechend: Im Allgemeinen sei es besonders schwierig, Wirkstoffe gegen gramnegative Bakterien zu entwickeln. „Allerdings haben wir mit sehr einfachen Modellen gearbeitet“, betont der Apotheker und Arzneimittel-Forscher.
Künftig will er mit seiner Arbeitsgruppe untersuchen, was in komplexeren Systemen passiert, beispielsweise, wenn Bakterien Biofilme bilden, um sich zu schützen.
Die Ergebnisse könnten ein Schritt zu einer zielgerichteten antimikrobiellen Therapie sein, hoffen die Saarbrücker Forscher. Denn im Gegensatz zu synthetischen Nanopartikeln, die mit Wirkstoffen beladen werden und diese an den jeweiligen Einsatzort im Körper transportieren, handele es sich bei den Bakterien-Vesikeln um natürliche „Arzneistoff-Taxis“.
„Wir vermuten daher, dass extrazelluläre Vesikel besser verträglich sind und leichter ihr Ziel erreichen“, sagt Fuhrmann. Damit sei die Arbeit eine wichtige Grundlage für die Erforschung der Frage, ob sich Außenmembran-Vesikel aus Myxobakterien als neuartige therapeutische Verabreichungssysteme gegen bakterielle Infektionen eignen.
Die Arbeit entstand aus der Kooperation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes, des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) sowie des Leibniz-Instituts für Neue Materialien (INM).
Link zur Veröffentlichung – als Titelgeschichte – im „Journal of Controlled Release“: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0168365918305698?via%3Dihub
Kontakt:
Dr. Gregor Fuhrmann
Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS)
Biogenic Nanotherapeutics Group (BION)
http://www.fuhrmann-lab.de
E-Mail: gregor.fuhrmann(at)helmholtz-hzi.de
Tel.: 0681 98806 1500
Hinweis für Hörfunk-Journalisten: Sie können Telefoninterviews in Studioqualität mit Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes führen, über Rundfunk-Codec (IP-Verbindung mit Direktanwahl oder über ARD-Sternpunkt 106813020001). Interviewwünsche bitte an die Pressestelle (0681 302-2601) richten.
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-saarland.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie
Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…
Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen
Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…
Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze
Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…