Anthrax-Killer aus dem Meer
Gegen Anthrax und verschiedene andere grampositive Bakterien wirkt ein potenzieller neuer Wirkstoff aus einem marinen Mikroorganismus, den amerikanische Wissenschaftler in der Zeitschrift Angewandte Chemie vorstellen. Ein chloriertes Analogon tötet gramnegative Bakterien ab.
Anthrax ist eine gefährliche Infektionskrankheit, die vom sporenbildenden Bakterium Bacillus anthracis hervorgerufen und von infizierten Nutztieren übertragen wird. Seit einigen Jahren ist Anthrax als biologischer Kampfstoff gefürchtet: Anschläge damit forderten 2001 fünf Menschenleben. Eine Anthrax-Infektion erfordert meist eine langwierige Behandlung mit Antibiotika. Besonders gefährlich ist eine Infektion über die Atemwege. Entsprechend bedeutend ist die Suche nach neuen wirkungsvollen Antibiotika.
Aus küstennahen Sedimenten in der Nähe von Santa Barbara, Kalifornien, haben Forscher um William Fenical nun eine Streptomyces-Spezies gewonnen, deren Kulturextrakte eine deutliche antibiotische Aktivität gegen Anthrax-Erreger zeigen. Dem Team von der University of California at San Diego und von Trius Therapeutics, San Diego, gelang es, daraus eine Verbindung zu isolieren, die Anthrax-Erreger sowie weitere grampositive Bakterien, wie Staphylokokken, Enterokokken und Streptokokken, abtötet. Gegenüber gramnegativen Bakterien war es dagegen so gut wie wirkungslos.
Mit verschiedenen Analysenmethoden konnten die Forscher die Struktur des Anthracimycin genannten Wirkstoffs bestimmen. Anthracimycin enthält ein ungewöhnliches System aus einem Ring mit 14 und zwei Ringen mit je sechs Kohlenstoffatomen. Es handelt sich um ein Makrolid, dessen Biosynthese sehr wahrscheinlich über den so genannten Polyketidweg läuft. Mit röntgenkristallographischen Untersuchungen konnten die Forscher auch die absolute Konfiguration der sieben asymmetrischen Kohlenstoffzentren der Verbindung und damit die vollständige räumliche Struktur identifizieren.
Diese Verbindungsklasse ist völlig anders als alle bekannten Antibiotika. Ein ähnliches Kohlenstoffgerüst findet sich jedoch bei Chlorotonil, einem Metaboliten des terrestrischen Myxobacteriums Sorangium cellulosum. Allerdings unterscheidet sich Chlorotonil in seinem Kohlenstoffgerüst, trägt zwei Chloratome und die Stereochemie der meisten asymmetrischen Kohlenstoffzentren ist anders als bei Anthracimycin.
Um die Wirkung der Chloratome in der verwandten Verbindung Chlorotonil zu erforschen, chlorierten die Wissenschaftler Anthracimycin. Dieses chlorhaltige Analogon zeigte sich nur noch etwa halb so wirksam gegenüber B. anthracis. Dafür war die Aktivität gegenüber einer Reihe gramnegativer Pathogene deutlich gesteigert. Dieser Befund ist bedeutsam, weil gramnegative Erreger häufig gegen gängige Antibiotika resistent sind. Umfassende Studien dieser neuen antibakteriellen Verbindungsklasse könnten zur Entwicklung effektiver neuer Wirkstoffe führen.
Angewandte Chemie: Presseinfo 26/2013
Autor: William Fenical, University of California at San Diego, La Jolla (USA), http://mbrd.ucsd.edu/Profile/?who=wfenical
Permalink to the article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201302749
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Media Contact
Weitere Informationen:
http://presse.angewandte.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation
Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…
Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus
Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…
Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit
Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…