Flexible Motorlagerung für das Auto der Zukunft

Gekonnte Motorlagerung ist ein wesentliches Detail des Autos der Zukunft. Vorangetrieben wird ihre Entwicklung im Rahmen eines BMBF-Verbundprojektes, das zu Beginn dieses Jahres von Prof. Hartmut Janocha am Lehrstuhl für Prozessautomatisierung (LPA) auf den Weg gebracht wurde. ALAS, kurz für „Aktives Lagerungssystem mit magnetorheologischer Flüssigkeit für den Automobil-Sektor“, lautet der Titel des Vorhabens. Es hat ein Gesamtvolumen von 2,1 Millionen Euro bei einer Laufzeit von drei Jahren. Die fünf Partner des LPA, der für die mechatronischen Systemaspekte zuständig ist, decken die Bereiche Leistungselektronik, Schwingungs- und Lagerungstechnik sowie elektrisch bzw. magnetisch steuerbare Fluide ab.

Industrie und Forschung arbeiten seit Jahren Hand in Hand, um umweltfreundlichere Kraftfahrzeuge zu entwickeln. Nachdem die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs durch Optimierung des Kfz-Luftwiderstandes weit fortgeschritten ist, mehren sich die Forderungen, das Gewicht der Fahrzeuge zu vermindern. Dies führt zwangsläufig auch zu leichteren Karosserien, die dazu neigen, empfindlicher auf Schwingungen zu reagieren. Hinzu kommt, dass die Automobilhersteller auf sparsamere Motoren setzen, wobei vermehrt Dieselmotoren entwickelt werden. Damit verschärft sich das Problem, da diese schwingungstechnisch und akustisch problematischer als Ottomotoren sind und somit noch besser von der Karosserie isoliert werden müssen.

Diese Situation führt dazu, dass die Anforderungen an Motorlager steigen. Die Lager müssen eine Reihe von Funktionen erfüllen, die widersprüchliche Eigenschaften verlangen. Um einen guten Fahrkomfort zu gewährleisten, müssen einerseits die Schwingungen, die durch die Unebenheiten der Fahrbahn über das Fahrwerk des Autos eingekoppelt werden und die im Bereich der Motoreigenfrequenzen liegen, durch ein Motorlager hoher Steifigkeit bedämpft werden. Andererseits sollen auch die höherfrequenten Vibrationen vom Fahrgastraum entkoppelt werden, die entstehen, wenn sich der Motor im Drehzahlbereich oberhalb der Leerlaufdrehzahl bewegt. Dazu bedarf es wiederum einer Lagerung möglichst geringer Steifigkeit. Zur Lösung dieser widersprüchlichen Anforderungen wurde das Hydrolager entwickelt, das 1977 erstmals in Serie eingesetzt worden war; heute sind diese Lager aufgrund der gegenüber Gummi-Metall-Lagern deutlich besseren Eigenschaften in nahezu allen Pkws der Mittel- und Oberklasse zu finden.
Im Rahmen des BMBF-Verbundvorhabens soll jetzt eine völlig neuartige Generation der Hydrolager entwickelt werden: das MRF-Hydro-lager, ein innovatives und flexibel elektrisch steuerbares Motorlagerungssystem für den Automobilbereich. Der Clou an diesem neuartigen Lager ist eine „magnetorheologische Flüssigkeit“ (MRF) als hydraulisch wirkendes Fluid. Diese Flüssigkeit enthält – vereinfacht gesagt – kleine magnetisierbare Teilchen. Durch Anlegen von steuerbaren Magnetfeldern können die Eigenschaften solcher Lager gezielt beeinflusst werden. Ins-besondere kann deren Steifigkeit, deren Bedämpfungsvermögen, in einem weiten Frequenzbereich stufenlos variiert werden. Aufgrund der hohen Reaktionsgeschwindigkeit der MRF können sich MRF-Hydrolager sehr schnell veränderlichen Betriebsbedingungen anpassen.
Vor allem auch aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung des Automobils stehen dem Einsatz von MRF-Hydrolagern im Kfz-Bereich Tür und Tor offen. So wird der Unterdruck als Schaltenergie im Fahrzeug etwa im Bereich der Lenkhilfe, der Bremsanlage und weiterer Nebenaggregate mittelfristig entfallen. Künftige aktive Lagerelemente müssen elektrisch gesteuert werden. Da jedoch seitens der Kfz-Hersteller auch der mögliche Ausfall der elektrischen Hilfsenergie an Bord eines Kfz ins Kalkül einbezogen wird, lautet eine wichtige Forderung an das Lagerelement, dass es in diesem Fall eine Notfunktion erfüllt, also eine gewisse Grundsteifigkeit garantiert. MRF-Hydrolager können auch dieses so genannte „Fail-safe-Verhalten“ mit Hilfe von Permanentmagneten realisieren, deren Magnetfeld im Betrieb mehr oder weniger abgeschwächt wird.

Das neue multifunktionale Lager, wird von der Firma BMW, die ebenfalls an dem Projekt beteiligt ist, in ein Versuchsfahrzeug eingebaut und getestet. Ein Schwerpunkt der Forschung widmet sich speziell der magnetorheologischen Flüssigkeit. Hier besteht die Hauptaufgabe darin, das Fluid anwendungsbezogen weiterzuentwickeln und die gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen MRF und allen anderen Systemkomponenten zu untersuchen und zu optimieren.

Am Verbundprojekt ALAS beteiligt sind außer dem Saarbrücker Lehrstuhl für Prozessautomatisierung die Partner BMW AG (München), Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik KG (Weinheim), Fraunhofer Institut Silicatforschung (Würzburg), FUCHS EUROPE SCHMIERSTOFFE GmbH (Mannheim/Hamburg) und die Saarbrücker D*ASSmbH.

Mit ALAS bearbeitet der Lehrstuhl für Prozessautomatisierung unter Leitung von Prof. Janocha seit seiner Gründung bereits das fünfte BMBF-Verbundprojekt (Förderkennzeichen 03N3105C). Vier dieser Projekte wurden von Prof. Janocha selbst initiiert und bis zur Bewilligungsreife gebracht, bei drei der Verbünde war er Projektkoordinator und bei zweien wirkten (unterschiedliche) Spin-off-Unternehmen des Lehrstuhls als Projektpartner mit.


Sie haben Fragen? Dann setzen Sie sich bitte in Verbindung mit Prof. Dr.-Ing. Hartmut Janocha Telefon: (0681) 302-2880 / -2694 Telefax: (0681) 302-2678
E-Mail: janocha@lpa.uni-sb

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Claudia Brettar idw

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