Computer assistiert Chirurgen?

Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg untersucht OP-Arbeitsplatz der Zukunft / Drei Millionen Euro für DFG-Graduiertenkolleg mit der Universität Karlsruhe

Wie werden Chirurgen in einigen Jahrzehnten operieren? Sind ihre Assistenten künftig computergesteuerte Maschinen, die noch präzisere und schonendere Operationen ermöglichen? Wird die computer-basierte Chirurgie die Arbeit eines Operateurs durch Navigation und erweiterte Realität deutlich verbessern? Werden computergesteuerte Geräte, die heute schon als „OP-Roboter“ bezeichnet werden, tatsächlich „intelligent“ genug sein, den Chirurgen bei seiner Arbeit zu führen und zu kontrollieren?

Die Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg hat ein umfangreiches Forschungsprogramm in Kooperation mit der Universität Karlsruhe und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) gestartet zur Frage: Wie sieht der chirurgische Arbeitsplatz der Zukunft aus? Dafür wurde ihr jetzt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Förderung eines Graduiertenkollegs in Höhe von ca. 3 Millionen Euro zugesprochen: Hochbegabte Ingenieure und Mediziner entwickeln – unter enger fachlicher Betreuung von Medizinern und Ingenieurwissenschaftlern – in Promotionsarbeiten neue computerbasierte Mess- und Operationsmethoden für die sogenannte Weichteilchirurgie.

„Im Bereich der Chirurgie innerer Organe des Bauchraums muss der Einsatz der computergesteuerten Technik intensiv weiterentwickelt und getestet werden, bevor eine Routineanwendung ins Auge gefasst werden kann“, erklärt Professor Dr. Dr. h.c. Markus Büchler, Geschäftsführender Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. Denn Leber, Darm, Bauchspeicheldrüse und andere Bauchorgane sind naturgemäß weich und beweglich, Veränderungen ihrer Lage und Konsistenz während der Operation unausweichlich.

Chirurg steuert die Arme des OP-Roboters an einer Konsole

Bei der Computer-basierten Operation steht der Chirurg nicht mehr direkt am OP-Tisch, sondern an einer Steuerkonsole, die ihm ein über ein Sichtvisier einen dreidimensionalen Blick auf das Operationsfeld eröffnet. Seine Hände führen Steuerinstrumente, die seine Bewegungen auf die mit OP-Instrumenten versehenen Arme des Roboters übertragen. Zusammen mit der Kamera sind diese im Bauchraum des Patienten platziert und vollführen dort chirurgische Feinarbeit. Dabei folgen sie exakt den Bewegungen des Operateurs an der Konsole.

Vielfältig sind die Fragestellungen, die von den 13 Heidelberger/Karlsruher Projektgruppen in den kommenden fünf Jahren bearbeitet werden sollen, unter anderem:

* Welche optischen Markierungen können dem OP-Roboter bei Bauchoperationen als sichere Wegweiser dienen?
* Hilft der OP-Roboter bei der exakten Teilung einer Leber zur Transplantation?
* Können komplizierte Bewegungen des Chirurgen bei einer Operation tatsächlich automatisiert und von Robotern ausgeführt werden?

An den Projektgruppen sind – neben Allgemeinchirurgen, Ingenieuren und IT-Experten – noch weitere medizinische Spezialisten des Universitätsklinikums Heidelberg wie Radiologen, Anästhesisten, Herz, Gefäß- und Kieferchirurgen beteiligt. „Wir haben das Glück, die Expertise von Kollegen integrieren zu können, die in zwei Sonderforschungsbereichen der DFG bereits seit acht Jahren mit der Universität Karlsruhe Themen der computergestützten Chirurgie bearbeiten“, sagt Privatdozent Dr. Carsten Gutt, Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg und wissenschaftlicher Sekretär des neuen Graduiertenkollegs.

Übersichtsartikel im „British Journal of Surgery“: Vorteile bei Bauchchirurgie sind nicht erwiesen

Gemeinsam mit Professor Büchler hat Dr. Gutt jetzt eine kritische Übersicht aller bislang vorliegenden Studien zum Einsatz von OP-Robotern in der Bauchchirurgie im renommierten „British Journal of Surgery“ veröffentlicht. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass die roboterassistierte Chirurgie zwar für bestimmte Operationen geeignet ist, z.B. Entfernung der Speiseröhre bei Speiseröhrenkrebs oder Anlegen einer Verschlussmanschette der Speiseröhre bei Sodbrennen (Fundiplikatio), aber klare Vorteile gegenüber der minimal-invasiven Chirurgie, bei der der Chirurg die Instrumente unmittelbar selbst führt, bislang nicht ausreichend in Studien erwiesen sind.

Seit Sommer 2000 werden OP-Roboter, trotz sehr hoher Kosten, oft mit erheblichem Aufsehen in den Medien, immer häufiger in bauchchirurgisch tätigen Kliniken eingesetzt. Dennoch gibt es bislang keine Studien, die bewährte Standardmethoden mit der neuen Technik wissenschaftlich fundiert vergleichen. Die Heidelberger Chirurgen haben in diesem Jahr eine Studie begonnen, die den Einsatz des Roboters bei der Fundiplikatio-Operation gegen Sodbrennen untersucht.

Mögliche Vorteile des OP-Roboters sieht Dr. Gutt im „optimierten“ Arbeitsplatz des Chirurgen an der Konsole. Technische Weiterentwicklungen wie besseres Tastempfinden, das den Chirurgen Informationen über die Beschaffenheit des operierten Gewebes liefert, oder die Einbeziehung von CT- oder MRT-Bildern während der Operation (sogenannte „Erweiterte Realität“) könnten die Qualität der computerbasierten Chirurgie in Zukunft wesentlich erhöhen.

Bei Rückfragen:

Privatdozent Dr. Carsten Gutt
E-Mail: carsten_gutt@med.uni-heidelberg.de

Professor Dr. Markus W. Büchler:
Tel.: 06221 / 56 6201 (Sekretariat)

Literatur:
Gutt CN, Buchler MW et.al.: Robot-assisted abdominal surgery. Br J Surg. 2004 Nov;91(11):1390-7 (Der Originalartikel kann bei der Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden)

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Dr. Annette Tuffs idw

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