Eine Haarnadel gegen Krebs

Bizyklische Protein-Mimetika inhibieren das Onkogen β-Catenin
(c) Wiley-VCH

Bizyklische Protein-Mimetika inhibieren das Onkogen β-Catenin.

Die Hemmung krankmachender Protein-Protein-Wechselwirkungen ist ein vielversprechender therapeutischer Ansatz für eine Vielzahl von Krankheiten, einschließlich vieler Formen von Krebs. Ein Forschungsteam hat jetzt ein bizyklisches Peptid entwickelt, das β-Catenin bindet, ein Protein, das mit bestimmten Tumorarten in Verbindung steht. Erfolgsgeheimnis sind die zyklische Struktur und die Haarnadelform des Peptids, die eine natürliche Proteinstruktur nachahmt, wie das Team in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichtet.

Aufgrund der an Protein-Protein-Wechselwirkungen beteiligten ausgedehnten Protein-Bereiche sind therapeutische Ansätze mit kleinen Molekülen oft nicht erfolgreich. Eine Alternative stellen Protein-Mimetika dar, die die räumliche Struktur bindender Abschnitte der natürlichen Bindungspartner nachahmen. Proteinstrukturen aus mehreren nebeneinander angeordneten lang gestreckten Peptidketten, die an ein ziehharmonikaartig gefaltetes Blatt Papier erinnern (β-Faltblätter) spielen oft eine Rolle bei der Interaktion von Proteinen, wurden aber bisher nur selten als Ansatzpunkt für Mimetika herangezogen. Dies liegt unter anderem daran, dass sie nicht leicht in die Zielzellen gelangen und daher das pathogene Protein nicht erreichen können.

Das von Tom N. Grossmann geleitete internationale Team von der Freien Universität Amsterdam, der Universität Neapel Federico II sowie AstraZeneca (Cambridge, UK) berichtet jetzt vom Design von β-Faltblatt-Mimetika, die das intrazelluläre tumorerzeugende Protein β-Catenin hemmen. β-Catenin ist Bestandteil der Wnt-Signalkaskade und aktiviert T-Zell-Faktoren (TCF), die letztlich Zellwachstum und Proliferation stimulieren. Eine Hyperaktivierung des Wnt-Wegs steht in Verbindung mit verschiedenen Formen von Krebs. Die Hemmung der Wechselwirkung zwischen β-Catenin und TCF stellt somit einen attraktiven therapeutischen Ansatz dar.

Basierend auf der bekannten Struktur von β-Catenin im Komplex mit einem Protein stellte das Team zunächst einen Bindungspartner für β-Catenin her: ein zu einem Ring geschlossenes Peptid, das ein kurzes antiparalleles β-Faltblatt – eine sogenannte β-Haarnadelstruktur – ausbildet, wenn es an β-Catenin gebunden vorliegt, wie eine Analyse der Kristallstruktur ergab. Die Idee war nun, dieses zyklische Peptid durch Einführung einer zusätzlichen Verbrückung in einer Haarnadel-Form zu fixieren. Dies erzeugt eine bizyklische Struktur, die die Bindung an β-Catenin verstärkt. Aus einer Reihe synthetisierter Varianten konnte das Team mehrere Bizyklen mit hoher Affinität zu β-Catenin identifizieren. Unter diesen Treffern fand sich ein Bizyklus, der (anders als das ursprüngliche zyklische Peptid) sehr gut von Zellen aufgenommen wird und die onkogene Wnt-Signalkaskade deutlich inhibiert.

Das neu entwickelte bizyklische β-Faltblatt-Mimetikum stellt damit einen möglichen Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Antitumor-Wirkstoffe dar, die die zelluläre Wnt-Signalkaskade hemmen. Die Strategie könnte zudem das Design weiterer Inhibitoren anderer durch β-Faltblätter vermittelter Protein-Protein-Wechselwirkungen unterstützen.

Angewandte Chemie: Presseinfo 13/2021

Autor/-in: Tom N. Grossmann, Vrije Universiteit Amsterdam (The Netherlands), https://www.grossmannlab.com/

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.

Originalpublikation:

https://doi.org/10.1002/ange.202102082

Weitere Informationen:

http://presse.angewandte.de

https://www.gdch.de/

Media Contact

Dr. Karin J. Schmitz Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Quantenkommunikation: Effiziente Ansteuerung von Diamant-Qubits mit Mikrowellen

Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben zum ersten Mal in Deutschland gezeigt, wie sogenannte Zinn-Fehlstellen in Diamanten sehr exakt mit Mikrowellen kontrolliert werden können. Diese Defekte haben besondere…

Wenn Ionen zum Katalysator wandern

Neue Einblicke in die Solvatationskinetik an Oberflächen. Die Abteilung Interface Science des Fritz-Haber-Instituts hat weitere Fortschritte im Verständnis der Solvatation von Ionen an Grenzflächen gemacht, wie in ihrer neuesten Veröffentlichung…

Alte Herzen vor der Transplantation stärken

Studie untersucht Wirkung von Senomorphika zum Schutz von Spenderherzen. Anlässlich des Weltherztages am 29. September. Wie die Funktion von Spenderherzen älterer Menschen bei einer Transplantation optimal erhalten werden kann, will…

Partner & Förderer