Flüssiges Blut dank Schlangengift

Schlangengifte enthalten einen ganzen Arzneischrank voller hochwirksamer Stoffe, die binnen kurzer Zeit zu Schock, Lähmung oder unstillbaren Blutungen führen können.

Prof. Johannes Eble von der Goethe-Universität erforscht in erster Linie Verbindungen, welche die Blutgerinnung hemmen. Wie er in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ berichtet, finden sich in den Giften diverser Schlangen pharmakologisch interessante Leitstrukturen für neue Wirkstoffe, die das Risiko eines Herzinfarkts, Schlaganfalls und anderer Thrombosen mindern.

Zusammen mit Kooperationspartnern in Brasilien beschäftigt sich Eble seit vielen Jahren damit, die blutgerinnungshemmenden Einzelkomponenten aus unterschiedlichen Giftschlangen-Arten zu isolieren. Danach wird die molekulare Struktur der Einzelkomponenten und der für ihre Wirkung verantwortliche Molekülteil bestimmt: „Diese Wirkstruktur versuchen wir dann durch chemisch oder biochemisch synthetisierte Verbindungen zu imitieren, wobei wir den Wirkstoff den pharmakologischen Bedürfnissen entsprechend designen“. Dazu gehört einerseits die Vermeidung unerwünschter Nebenwirkungen wie Abwehrreaktionen des Immunsystems. Andererseits gilt es auch, die zeitliche Aufnahme des Wirkstoffs im Organismus (Pharmakokinetik) und die Wirkung am Wirkort (Pharmakodynamik) gezielt zu beeinflussen.

Von großer medizinischer Bedeutung bei der Behandlung von Herzinfarkten oder Schlaganfällen sind Wirkstoffe, die Blutgerinnsel auflösen können (Fibrinolytika). Fibrin ist ein körpereigener „Klebstoff“, der ein Netzwerk bildet, in dem sich die Blutplättchen (Thrombozyten) verfangen und festhalten. Schlangengifte enthalten Enzyme (Fibrinogenasen), die das Fibrin oder seine Vorstufe (Fibrinogen) zu Fragmenten abbauen, so dass daraus kein Fibrinnetzwerk mehr entstehen kann. Inzwischen wird das Enzym Fibrolase aus der Kupferkopf-Schlange (Agkistrodon contortrix contortrix) in einer leicht modifizierten Form gentechnologisch als Alfimeprase hergestellt. Die klinische Anwendung der Fibrolase wird derzeit erprobt. Ancrod aus dem Gift der Malaien-Mokassinotter (Calloselasma rhodostoma) ist ebenfalls in klinischer Prüfung.

Eine weitere Kategorie von Schlangengiftkomponenten heften sich an die Oberflächenrezeptoren von Blutplättchen. Diese können dann nicht mehr durch biochemische Signale für eine Bindung an den „Klebstoff“ Fibrin aktiviert werden. Gut erforscht sind insbesondere die Disintegrine. Sie wurden zur Ausgangsverbindung bei der Entwicklung einer neuen Generation von Antithrombotika, zum Beispiel Aggrastat® (Tirofiban) und Integrilin® (Eptifibadit).

Informationen: Prof. Johannes Eble, Exzellenscluster „Kardio-pulmonäre Systeme“, Klinikum der Goethe-Universität, Tel.: (069) 6301 87651, Eble@med.uni-frankfurt.de.

„Forschung Frankfurt“ kostenlos bestellen: ott@pvw.uni-frankfurt.de

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Dr. Anne Hardy idw

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