Zentralstern eines planetarischen Nebels

Aufnahme des planetarischen Nebels im offenen Sternhaufen Messier 37. Der Sternhaufen enthält einige hundert Sterne. Der schmetterlingsförmige Nebel wird durch rotleuchtendes Wasserstoffgas sichtbar.
(c) K. Werner et al.

… gibt Details aus seinem Leben preis.

Forschungsteam der Universität Tübingen nutzt den offenen Sternhaufen Messier 37 als Himmelslabor zur Bestimmung der Sternentwicklung und der Messung seines Masseverlusts.

Sonnenähnliche Sterne beenden ihr Leben als Weißer Zwerg. Manche davon sind von einem planetarischen Nebel umgeben, der aus Gas besteht, das der sterbende Stern kurz vor seinem Tod abgestoßen hat. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Professor Klaus Werner vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen untersuchte jetzt erstmals einen Zentralstern eines planetarischen Nebels, der sich in einem offenen Sternhaufen befindet. Die Forscherinnen und Forscher konnten die Masse, die der Zentralstern im Laufe seines Lebens verloren hat, exakt bestimmen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.

In unserer Milchstraße gibt es mehr als tausend offene Sternhaufen. Jeder von ihnen umfasst eine Ansammlung von bis zu einigen Tausend Sternen, die gleichzeitig aus einer dichten Wolke von Gas und Staub entstanden sind. „Dass die Sterne eines Haufens alle das gleiche Alter haben, hat für die Astrophysik eine besondere Bedeutung“, berichtet Klaus Werner. Sie unterschieden sich lediglich in ihrer Masse. „Je massereicher ein Stern ist, desto schneller verbraucht er seinen Kernbrennstoff durch die Fusion von Wasserstoff zu Helium. Desto kürzer ist auch sein Leben und desto schneller die Entwicklung zum Weißen Zwerg“, erklärt er.

Momentaufnahme der Entwicklung

Die Beobachtung eines Sternhaufens zeige wie ein Schnappschuss, wie weit entwickelt Sterne unterschiedlicher Masse im jeweils gleichen Alter zu einem bestimmten Zeitpunkt sind, sagt Werner: „In der Astronomie lassen sich Sternhaufen als eine Art Labor nutzen, in dem wir messen können, wie zuverlässig unsere Theorien der Sternentwicklung sind.“ Eine der größten Unsicherheiten in der Theorie der Sternentwicklung sei bisher die Frage, wie viel Materie ein Stern im Laufe seines Lebens verliert. Dieser Massenverlust sei erheblich. „Sterne wie unsere Sonne verlieren knapp die Hälfte ihrer Masse, bis sie sich zum Weißen Zwerg entwickelt haben. Sterne mit der achtfachen Masse der Sonne verlieren sogar rund 80 Prozent ihrer Masse“, sagt der Astrophysiker. Die Beziehung zwischen der Geburtsmasse der Sterne und der Masse zum Zeitpunkt des Todes als Weißer Zwerg bezeichnet man in der Astronomie als die Anfangs-Endmassen-Relation.

Die Masse von Weißen Zwergen in Sternhaufen könne bei der Beobachtung direkt mit der Masse in Beziehung gesetzt werden, die diese bei ihrer Geburt hatten, berichtet Werner: „Ganz besonders aussagekräftig sind die Daten sehr junger Weißer Zwerge, genau das sind Zentralsterne planetarischer Nebel.“ Man kenne bisher nur drei Sternhaufen, die einen planetarischen Nebel enthalten. „Bisher war noch keiner von deren Zentralsternen untersucht worden, weil sie alle sehr weit entfernt und lichtschwach sind.“

Spezielle chemische Zusammensetzung

Das Forschungsteam hat nun eines der größten Teleskope der Welt, das Zehn-Meter-Teleskop GRANTECAN auf der Kanareninsel La Palma, auf den Zentralstern im Sternhaufen Messier 37 gerichtet und dessen Spektrum analysiert. Die Masse wurde auf 0,85 Sonnenmassen bestimmt und die ursprüngliche Masse auf 2,8 Sonnenmassen. „Der Stern hat also im Laufe seines Lebens 70 Prozent seiner Materie verloren“, erklärt Werner. Eine weitere Besonderheit sei seine spezielle chemische Zusammensetzung. Er habe keinen Wasserstoff mehr an der Oberfläche, was auf ein ungewöhnliches Ereignis in seiner jüngsten Vergangenheit hindeute: ein kurzzeitiges Wiederaufflammen der Kernfusion.

Die genaue Kenntnis der Anfangs-Endmassen-Relation ist von fundamentaler Bedeutung in der Astrophysik, sagt Werner. Sie entscheide darüber, ob ein Stern sich zum Weißen Zwerg entwickelt, in einer Supernova-Explosion zum Neutronenstern wird oder gar ein schwarzes Loch als Endstadium übrigbleibt. „Andererseits werden aus der ausgestoßenen Materie neue Sterngenerationen gebildet, die mit schweren Elementen als Produkte von Kernreaktionen angereichert sind. Davon hängt die chemische Entwicklung von Galaxien und letztendlich des gesamten Universums ab.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Klaus Werner
Universität Tübingen
Fachbereich Physik
Institut für Astronomie und Astrophysik
Telefon +49 7071 29-78601
werner[at]astro.uni-tuebingen.de

Originalpublikation:

K. Werner, N. Reindl, R. Raddi, M. Griggio, L.R. Bedin, M.E. Camisassa, A. Rebassa-Mansergas, S. Torres, P. Goodhew: The unusual planetary nebula nucleus in the Galactic open cluster M37 and six further hot white dwarf candidates. Astronomy & Astrophysics,
https://www.aanda.org/articles/aa/full_html/2023/10/aa47217-23/aa47217-23.html,
https://doi.org/10.1051/0004-6361/202347217

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Dr. Karl Guido Rijkhoek Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

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