Zellatmung als Marker für Qualität von Spenderlebern

Winzige Gewebeproben reichen aus, um die Zellatmung mittels hochauflösender Respirometrie zu bestimmen. Im Bild: Andras Meszaros mit einer Mitarbeiterin seiner Arbeitsgruppe am organLife Labor an der Medizinischen Universität Innsbruck
(c) David Bullock / MUI

Neue große klinische Studie aus der Innsbrucker Transplantationsmedizin – ForscherInnen um Andras Meszaros und Julia Hofmann von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie haben die Zellatmung von 50 potentiellen Spenderlebern untersucht. In der Folge beobachteten die WissenschafterInnen den klinischen Verlauf der PatientInnen. Dabei stellte sich heraus: Je besser die Zellatmung, desto besser die Prognose. Die Studie wurde nun im Fachjournal Lancet eBioMedicine veröffentlicht.

In den vergangenen 30 Jahren hat sich das Alter von OrganspenderInnen von durchschnittlich 30 Jahre auf inzwischen durchschnittlich 60 Jahre verdoppelt. Vor diesem Hintergrund wird es zunehmend wichtiger, Marker für die Organqualität zu definieren. Innsbrucker ForscherInnen am organLife Labor an der Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie (interim. Direktor Stefan Schneeberger) führten hierzu nun eine erste große Studie im klinischen Bereich durch. Ziel war es, die Zellatmung (mitochondriale Funktion) von Spenderlebern als möglichen Parameter für die Organqualität – und in der Folge für die Organauswahl – zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass die mitochondriale Funktion einen wichtigen, unabhängigen Marker darstellt, der in Zukunft als zusätzliches Entscheidungskriterium vor der Transplantation von Spenderlebern herangezogen werden könnte.

„Man kann nicht davon ausgehen, dass eine 40-jährige Spenderleber im Empfänger automatisch besser funktioniert, als eine 70 Jahre alte Spenderleber. Die Hypothese für unsere Studie war, dass Lebern, die während der Maschinenperfusion* eine bessere Zellatmung haben und damit eine effizientere Produktion von Energie aufweisen, möglicherweise auch nach der Transplantation besser funktionieren“, erklärt Studienautor Andras Meszaros die Ausgangslage für die Untersuchung. Die Arbeitsgruppe verwendete für die Durchführung der Studie, die von dem Innsbrucker Unternehmen Oroboros Instruments entwickelte Technologie der hochauflösenden Respirometrie.

Klinischer Verlauf als Ankerpunkt für Studie

Konkret haben die WissenschafterInnen während der normothermen Maschinenperfusion laufend Gewebeproben von insgesamt 50 für die Transplantation vorgesehenen Lebern entnommen. 35 der Spenderorgane wurden schließlich transplantiert. In der Folge verglichen die ExpertInnen in einer so genannten Korrelationsanalyse die Zellatmungswerte des Spenderorgans mit dem klinischen Verlauf der PatientInnen nach der Transplantation. Dabei zeigte sich eine hohe Überstimmung: „Wenn die mitochondriale Schädigung höher und damit auch der Energieverlust in den Mitochondrien höher ist, dann ist der klinische Verlauf schlechter. Das bedeutet, dass man anhand der Bestimmung der Zellatmung eine Prognose für den weiteren Verlauf treffen könnte“, sagt Meszaros.
Interessant dabei: Die Zellatmungswerte gelten unabhängig von den anderen Schädigungsmarkern, d.h. es bildete sich keine enge Übereinstimmung mit den bereits
anerkannten Parametern ab. Nun gelte es, in größeren Folgestudien Grenzwerte für die Zellatmung festzulegen.

Während der bis zu 24-stündigen normothermen Maschinenperfusion führten die ForscherInnen zahlreiche Begleitanalysen durch. Dabei stellte sich heraus, dass die mitochondriale Funktion über die ganze Dauer der Maschinenperfusion stabil bleibt. Die Menge der Adenosintriphospat-Produktion (ATP, Energielevel) steigt während der Maschinenperfusion. „Diese Ergebnisse sind wichtig, weil Spenderorgane nach wie vor kalt an das Transplantationszentrum transportiert werden, bevor sie an die Perfusionsmaschine angeschlossen werden können“, sagt Autorin Julia Hofmann.

In Innsbruck sind bis dato rund 150 Lebern nach vorheriger normothermer Maschinenperfusion transplantiert worden. Die Medizinische Universität Innsbruck gehört damit zu den größten Zentren für Maschinenperfusion und Lebertransplantation in der EU. „Die Ergebnisse der vorliegenden Publikation sind vielversprechend. Weitere Untersuchungen mit vergleichbarem Studiendesign sind bei Nieren unter hypothermer Maschinenperfusion geplant“, sagt Stefan Schneeberger, interim. Klinikdirektor, wissenschaftlicher Leiter des organLife Labor und Senior Autor der Studie.

*Maschinenperfusion:
Die Maschinenperfusion versteht sich als Intensivstation für Spenderorgane. Nach der Entnahme werden die Organe in der Maschine bei normothermen (Körpertemperatur) oder hypothermen (gekühlt) Bedingungen bis zur Implantation zwischengelagert und untersucht. Die Innsbrucker Universitätsklinik verfügt mittlerweile über drei normotherme Leberperfusionsmaschinen, eine davon ausschließlich für Schulungs- und Forschungszwecke. „Wir haben uns damit zu einem führenden Ausbildungszentrum für diese Technologie weltweit etabliert“, sagt Stefan Schneeberger.

Zu den Personen:

Andras Meszaros leitet bei organLife (Organ Regeneration Center of Excellence) an der Medizinischen Universität Innsbruck die Arbeitsgruppe für mitochondriale Funktionsdiagnostik. Dort beschäftigt er sich mit molekularen Mechanismen der Entzündung, der Zellatmung und oxidativen Stress. Meszaros ist seit 2018 als Assistenzarzt an der Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie tätig.

Julia Hofmann hat molekulare Medizin und Biotechnologie studiert und ist seit 2019 im organLife Labor als PhD Studentin tätig. Ihr Forschungsthema umfasst die normotherme Maschinenperfusion der Leber.

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Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden. Ab Herbst 2022 bieten die Medizinische Universität Innsbruck und die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck gemeinsam ein englischsprachiges Masterstudium „Pharmaceutical Sciences“ an, in dem die Studierenden eine fundierte Ausbildung im Bereich der Arzneimittelentwicklung erwerben können.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr.med. Andras Meszaros PhD
Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie
E-Mail: Andras.Meszaros@i-med.ac.at

Originalpublikation:

Meszaros A. T., Hofmann J. et. al.: „Mitochondrial respiration during normothermic liver machine perfusion predicts clinical outcome”. In: eBioMedicine, Oct 28 , 2022.
DOI: https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2022.104311

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