Zahlenpsychologie: "100 Cent ist mehr als ein Euro"

Die Länge einer Summe beeinflusst unser Denken über die Höhe der Zahl mehr als ihr tatsächlicher ökonomischer Wert.

Das behauptet eine Studie der Ohio State University, die in der Fachzeitschrift Psychological Science veröffentlicht wurde. Grundannahmen über die Entscheidungsfindung von Menschen seien dadurch in Frage gestellt, so die Psychologen. Der entdeckte Mechanismus, der auch bei Kindern sowie bei mehreren Tieren festgestellt wurde, bietet eine Erklärung für die Bereitschaft vieler Regierungen, staatlichen Finanzhilfen in unvorstellbarer Höhe zuzustimmen.

Dazu wandten die Psychologen ein altbekanntes Testspiel an, bei dem zwei Personen in jeder Spielrunde getrennt entscheiden müssen, ob sie mit ihrem Gegenüber kooperieren oder ihn schädigen wollen. Ihre Belohnung hängt vom Ergebnis ab: Wollen beide Spieler die Zusammenarbeit, gibt es jeweils drei Dollar, bei einseitige Schädigung erhält nur der Sieger fünf Dollar, bei gegenseitiger Schädigung erhält jeder einen Dollar. Bisher war bekannt, dass mit zunehmender Höhe der Belohnung die Bereitschaft zur Zusammenarbeit steigt.

Die Ohio-Forscher führten den Test mit unterschiedenen Gewinnangaben derselben Summe durch. Bei einem versprochenen Gewinn von 300 Cent kooperierten die Spieler weit häufiger bei drei Dollar – und verhielten sich damit, als ginge es um eine höhere Summe. Ein Vergleichstest mit 300 Dollar-Gewinnen zeigte, dass trotz des hohen Wertunterschieds mit ähnlicher Häufigkeit Kooperationen geschlossen wurden wie bei 300 Cent. „Ob mit Dollar oder Cent gespielt wird, macht nur minimale Unterschiede. Worauf es ankommt ist scheinbar nur, ob die Zahl drei oder 300 lautet“, so Studienleiter John Opfer.

Im Alltag habe dieser Gedankenmechanismus zur Folge, dass der Unterschied zwischen drei und fünf viel größer wahrgenommen wird als der zwischen 103 und 105. „Wir beurteilen Zahlen verschieden. Bei großen Zahlen ist uns derselbe Zahlenunterschied scheinbar weniger wichtig“, so Opfer. Das erkläre die Kooperationsbereitschaft der Politik bei großen Geldsummen wie etwa der 700 Mrd.-Bankenhilfe, da laut Opfer die unvorstellbar große Zahl Ehrfurcht einflöße. Für im Vergleich kleinere Summen wie der 15 Mrd.-Rettungsplan der Autoindustrie sei hingegen weniger Wille zur Zusammenarbeit zu beobachten.

Die individuelle Entscheidung, ob man sein Geld für die Zukunft spart oder besser doch ausgibt, könnte ebenfalls von der Zahl der Nummern beeinflusst sein. „Hilfreich ist jedenfalls, die für unsere Entscheidungen relevante Summen in kleineren Zahlen auszudrücken. Erst das erlaubt uns, Risiken und Vorteile von Entscheidungen besser zu erkennen“, so Opfers Empfehlung für den Alltag.

Media Contact

Johannes Pernsteiner pressetext.austria

Weitere Informationen:

http://www.osu.edu

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