Kieselschwämme als Vorbild

Nicht nur organische, auch mineralische Strukturen spielen eine wichtige Rolle in Lebewesen. Man muss gar nicht mal an Muschelschalen und die kunstvollen Silica-Gerüste von Kieselalgen denken, ein Blick in den eigenen Körper genügt: So enthalten unsere Knochen und Zähne das Mineral Hydroxylapatit.

Wissenschaftler versuchen, die Prozesse der Biomineralisation nachzuahmen, um z.B. Knochen und Zähne besser reparieren zu können. Ein Team um Franklin R. Tay von der Georgia Health Sciences University (USA) und Ji-hua Chen von der Fourth Military Medical University (China) stellt in der Zeitschrift Angewandte Chemie nun einen neuen Ansatz vor: die Biomineralisation eines Kollagen-Silica-Hybridmaterials.

Die Biomineralisation ist ein sehr komplizierter Prozess, der sich nicht so einfach abkupfern lässt. So liegen die benötigten silikatischen Vorläuferverbindungen während der Synthese der Zellwände von Kieselalgen in einer stabilisierten Form vor, damit sie nicht unkontrolliert reagieren. Spezielle Proteine steuern dann ihre Polymerisation zu den beobachteten hochkomplexen Strukturen des entstehenden Gerüstes. Forscher würden Biomineralisationsprozesse auch gern beherrschen, um etwa angegriffene Zähne zu reparieren, künstliche Knorpel und Knochengewebe herzustellen. Zur Züchtung von Knochen will man körpereigene knochenbildende Zellen (Osteoblasten) auf ein Substrat säen, wo sie anwachsen und sich vermehren. Dieses Gerüst würde implantiert und hilft dem beschädigten Knochen, z.B. bei osteoporosebedingten oder sehr komplizierten Knochenbrüchen, sich zu regenerieren. Osteoblasten scheiden unter anderem Kollagen, Calciumphosphate und -carbonate als Grundlage für neue Knochensubstanz aus.

Kollagenfasern wären daher ein ideales Substrat, ist für die Knochenreparatur jedoch nicht fest genug. Vorbild für eine neue Idee war wiederum die Natur: In Kieselschwämmen ist eine Kollagenmatrix Bestandteil eines Silica-Gerüstes. Könnte man also die Kollagenstruktur mit Silica (Siliciumdioxid) verstärken? Nachdem alle bisherigen Versuche gescheitert waren, war das Team um Tay und Chen nun erfolgreich.

Sie verwenden Kollagenfasern als „Gussform“ und gleichzeitig als Katalysator für die Polymerisation einer flüssigen Phase einer Silica-Vorläuferverbindung zu festem Silica. Die Silica-Vorstufe ist mit Cholin stabilisiert, um eine unkontrollierte Polymerisation zu verhindern. So bleibt genug Zeit für die flüssige Vorstufe, um den Raum zwischen den Mikrofibrillen der Kollagenfasern vollständig zu infiltrieren, bevor sie zu Silica polymerisiert – eins der Erfolgsgeheimnisse des neuen Ansatzes. Nach der Polymerisation spiegelt das feste Silica dann die durch die Kollagenfasern vorgegebene Architektur wider. Auch nach dem Trocknen bleibt die ursprüngliche schwammartige, poröse Struktur der Kollagenfasern erhalten. Anders als reines Kollagen ist das Gerüst der Hybridverbindung stabil und könnte, so hoffen die Forscher, zur Reparatur von Knochen verwendet werden.

Angewandte Chemie: Presseinfo 43/2011

Autor: Franklin R. Tay, Georgia Health Sciences University, Augusta (USA), http://www.georgiahealth.edu/dentalmedicine/research/biomein/index.html

Angewandte Chemie, Permalink to the article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201105114

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Dr. Renate Hoer GDCh

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