Dem Fraßfeind getrotzt

Der Erfolg einer Pflanzenart besteht in ihrer möglichst großen Verbreitung. Was bestimmt aber darüber, ob eine Pflanzenart erfolgreich ist? Prof. Dr. Mark van Kleunen, Professor für Ökologie an der Universität Konstanz, führte gemeinsam mit Forschenden der Universität Bern eine Feldstudie durch, die im Umfang der Pflanzenarten und in der Vielzahl der zu bestimmenden Merkmale einzigartig ist.

Die Wissenschaftler kamen zum Ergebnis, dass am Anfang des Pflanzenwachstums Faktoren wie Samengewicht und die Größe der Samenzahl entscheidend für die Etablierung einer Pflanzenart sind. Im Laufe der Studie stellten sich jedoch Eigenschaften, die die Wechselbeziehung von Pflanzen mit anderen Pflanzen oder Tieren kennzeichnen, als bedeutender heraus. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ erschienen.

Die Biologen säten auf 16 Wiesen im Kanton Bern, Schweiz, Pflanzensamen von insgesamt 93 Arten aus, darunter 45 von einheimischen Arten und 48 von eingeschleppten exotischen Arten. Gleichzeitig untersuchten sie in parallel verlaufenden Gewächshausstudien Pflanzeneigenschaften dieser Arten. Eines der konkreten Ergebnisse lautet, dass sich einheimische Arten besser durchsetzen als exotische.

Im Gegensatz zur populären Auffassung haben in der vielschichtigen Studie des Forschungsteams nur wenige exotische Pflanzenarten die drei Jahre überlebt, die das Experiment dauerte. „Daraus kann geschlossen werden, dass nur ein kleiner Teil der vielen exotischen Pflanzenarten in Europa invasiv und damit problematisch wird“, kommentiert Mark van Kleunen, der die Studie leitete. Die Untersuchungsergebnisse haben durch das bessere Verständnis der Faktoren, die die Zusammensetzung der Artengemeinschaft bestimmen, das Potential, neue invasive Arten frühzeitig zu erkennen.

Die Forschenden machten die Beobachtung, dass am Anfang des Pflanzenwuchses die so genannten extrinsischen Faktoren von Bedeutung sind. Das sind Umweltfaktoren, wie zum Beispiel Lichteinstrahlung oder die Menge der Samen, die ausgesät wurden. Auch die Frage, ob die Wiese durch Pflügen „gestört“ wurde, spielt bei der Verbreitung von Pflanzenarten eine Rolle.

So setzen sich mehrjährige Arten besser in solchen „gestörten“ Flächen durch. Im Laufe der Zeit erwiesen sich jedoch die „intrinsischen“ Merkmale der Pflanzen als immer wichtiger. Hier waren die Fragen entscheidend, ob die Pflanzenart die Konkurrenz mit der „Nachbarpflanze“ besteht oder in welchem Maß sie sich als fraßresistent gegenüber Tieren behauptet. Mark van Kleunen erklärt diesen Wechsel hinsichtlich der Bedeutung der Merkmale so: „Zunächst verhindert die unbelebte Umwelt, der so genannte abiotische Filter, die frühe Etablierung von Arten, denen gewisse physiologische Anpassungen fehlen. Einmal gekeimte Arten müssen Fraßfeinden, Pathogenen und Konkurrenten trotzen, um sich in einer Pflanzengemeinschaft zu behaupten. Unsere Studie verdeutlicht, dass dieser zweite Filter von sehr großer Bedeutung ist und zudem im Laufe der Zeit wichtiger wird.“

Die intrinsischen Eigenschaften wie Resistenz gegenüber Fraßfeinden untersuchten die Ökologen in fünf Gewächshausstudien, deren Ergebnisse sie mit den Ergebnissen auf den Wiesen kombinierten. Um beispielsweise die Fraßresistenz einer Pflanzenart zu ermitteln, setzten sie Raupen auf die Gewächse und beobachteten, wie gefräßig sich die Tiere zeigten. Die Forschenden suchten ebenso Antworten auf Fragen wie diese: Wie schnell nimmt die Biomasse der Pflanzenart zu? Wie hoch ist die Wachstumsrate? Oder: Wie schnell keimen die Samen, und zu welchem Anteil keimen sie erfolgreich?

Mark van Kleunen ist seit 2011 Professor für Ökologie an der Universität Konstanz. Zuvor war er Nachwuchsgruppenleiter an der Universität Bern, wo die Studie durchgeführt wurde.

Originalveröffentlichung:
Kempel A, Chrobock T, Fischer M, Rohr RP & van Kleunen M (2013): Determinants of plant establishment success in a multispecies introduction experiment with native and alien species. Proceedings of the National Academy of Sciences doi:10.1073/pnas.1300481110.
Kontakt:
Universität Konstanz
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Prof. Dr. Mark van Kleunen
Universität Konstanz
Fachbereich Biologie
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