Auf dem Weg zum CO2-freien Kraftwerk

Die Technische Universität Darmstadt hat am Mittag eine Versuchsanlage zur Abscheidung von Kohlendioxid (CO2) eingeweiht. In der Anlage wird das Institut für Energiesysteme und Energietechnik zwei neuartige Verfahren zur CO2-Abscheidung erforschen, die weniger Energie verbrauchen und geringere Kosten verursachen als bisherige Ansätze.

Bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle und Erdgas entstehen große Mengen des Klimagases Kohlendioxid. Eine Schlüsseltechnologie für emissionsärmere und umweltfreundlichere Kraftwerke ist daher die Abscheidung und Speicherung des Kohlendioxids aus den Kraftwerksabgasen (Carbon Capture and Storage, kurz: CCS). CCS könnte die CO2-Emissionen aus dem Einsatz fossiler Brennstoffe in der Energieerzeugung und der Industrie auf beinahe Null mindern und so entscheidend dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Die bisherigen Ansätze zur CO2-Abscheidung erfordern allerdings einen hohen zusätzlichen Energie- und Kostenaufwand, was die Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz dieser Verfahren in Frage stellt. In der neuen Versuchsanlage wird das Institut für Energiesysteme und Energietechnik der TU Darmstadt zwei neuartige Verfahren zur CO2-Abscheidung erforschen, die bei äußerst geringem Energieaufwand und geringen Kosten CO2-Emissionen fast vollständig vermeiden.

Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Bernd Epple und seine 26 Mitarbeiter werden in den kommenden zwei Jahren in der Versuchsanlage das sogenannte Carbonate-Looping-Verfahren und das Chemical-Looping-Verfahren erforschen. Beide Verfahren nutzen natürliche Materialien und reduzieren die bisher zur CO2-Abscheidung nötige Energie auf weniger als die Hälfte. „Diese Verfahren sind Meilensteine auf dem Weg zum CO2-freien Kraftwerk. Mit ihrer Hilfe könnten Kohle- und Erdgaskraftwerke zuverlässig und kostengünstig Energie erzeugen, ohne die Umwelt zu belasten“, so Epple.

Beim Carbonate-Looping-Verfahren wird natürlich vorkommender Kalkstein genutzt, um das CO2 zunächst in einem ersten Reaktor aus dem Abgasstrom des Kraftwerks zu binden. In einem zweiten Reaktor wird das reine Kohlendioxid wieder freigesetzt und kann anschließend gespeichert werden. Der Vorteil des Carbonate-Looping-Verfahrens ist, dass auch bestehende Kraftwerke mit dem Verfahren nachgerüstet werden können.

Mit Hilfe des Chemical-Looping-Verfahrens kann in neuen Kraftwerken das CO2 sogar weitgehend ohne Verlust der Energieeffizienz abgeschieden werden. In diesem Verfahren entsteht durch eine zweistufige, flammenlose Verbrennung ein eigener Rauchgasstrom, der nur CO2 und Wasserdampf enthält. Auch hier kann das CO2 nun abgeschieden und gespeichert werden.

Mark Weinmeister, Staatssekretär im hessischen Umweltministerium, würdigte zur Einweihung die für den Umweltschutz wichtigen Anstrengungen der TU. „Die Weiterentwicklung von Versuchen zur Kohlendioxid-Abscheidung bei der Energieerzeugung in Kohlekraftwerken ist wichtig“, unterstrich Weinmeister. Gerade mit Blick darauf, dass in China jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz geht, sei die Entwicklung einer Abscheidetechnik für Kohlendioxid dringend erforderlich. „Hier sehe ich langfristig Möglichkeiten, die Technologien in die asiatischen und amerikanischen Märkte zu exportieren.“

Die Erforschung der neuen Verfahren wird von der Europäischen Union, dem Bundeswirtschaftsministerium und verschiedenen Industriepartnern mit mehr als 7 Millionen Euro gefördert. Aufgrund der Höhe der Anlage entstand auf dem Campus Lichtwiese der TU Darmstadt eine neue, ca. 20 Meter hohe Versuchshalle. Die Bauzeit für die Versuchshalle und Pilotanlage betrug 20 Monate. In ersten Funktionstests konnte in der Anlage bereits erfolgreich Kohlendioxid eingebunden werden.

Über die TU Darmstadt

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Pressekontakt:
Prof. Dr.-Ing. Bernd Epple
Telefon: 06151/16-2191
E-Mail: bernd.epple@est.tu-darmstadt.de
Hinweis an die Hörfunk-Redaktionen:
O-Töne von Prof. Dr.-Ing. Bernd Epple zum Thema können Sie unter www.tu-darmstadt.de/vorbeischauen herunterladen, Sie finden die O-Töne am Ende des Artikels zur Einweihung.

MI-Nr. 57/2010, csi

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Jörg Feuck idw

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