Wirksamer Klimaschutz möglich bei richtiger Prioritätensetzung

Der Ausbau erneuerbarer Energieträger, die Förderung der effizienten Energienutzung, die Unterstützung nachhaltiger Lebensführung, der Einstieg in die Kohlendioxid-Abscheidung bei der Kohlekraft sowie eine begrenzte Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke sind die wesentlichen Eckpunkte des aktuellen Berichts des Nachhaltigkeitsbeirats Baden-Württemberg (NBBW) zur Energieversorgung des Landes.

Für eine langfristig und global wirksame Klimapolitik ist es zudem nach Ansicht des NBBW unabdingbar, dass sich das Land mit Nachdruck für ein weltweit gültiges System von Emissionszertifikaten einsetzt. Das Gutachten wurde heute an die Umweltministerin Tanja Gönner in Stuttgart übergeben. In seiner Begründung hob der Vorsitzende des NBBW, Prof. Dr. Ortwin Renn die Vorbildfunktion des Landes hervor. „Damit das Land als glaubwürdiger und ernsthafter Partner anerkannt wird, muss es in diesem Bereich mit fortschrittlichen Ideen und Konzepten vorangehen“. Der NBBW hoffe auch, dass aus der kürzlich gestarteten Nachhaltigkeitsstrategie des Landes neue Impulse für eine nachhaltige Entwicklung, insbesondere für die Energieversorgung im Land hervorgehen und neue Bündnispartner gefunden werden. Der NBBW werde diesen Prozess konstruktiv begleiten und dazu auch eigene Vorschläge unterbreiten.

Der Nachhaltigkeitsbeirat Baden-Württemberg (NBBW) ist ein von der Landesregierung im Jahr 2002 ins Leben gerufenes unabhängiges Beratungsgremium. Das Gremium, bestehend aus neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, hat den Auftrag, durch periodische Begutachtung die Umweltsituation in Baden-Württemberg und deren Entwicklungstendenzen zu bewerten und die Umsetzung und Fortschreibung des Umweltplans Baden-Württemberg kritisch zu begleiten.

Konkret empfiehlt der NBBW dem Land Baden-Württemberg in der Energiepolitik eine Doppelstrategie, bestehend aus Maßnahmen im eigenen Handlungsbereich und Initiativen auf Bundes-, Europa- und globaler Ebene.

In seinem 10-Punkte-Programm empfiehlt der NBBW im Einzelnen:

1. die erforderlichen Haushaltsmittel zur Umsetzung der im „Klimaschutzkonzept 2010“ des Landes beschlossenen Maßnahmen bereitzustellen;

2. eine politische Initiative des Landes ins Leben zu rufen, um ein global wirksames Klimazertifikatssystem nach Auslaufen der ersten Kyoto-Verpflichtungsperiode (nach 2012) auf den Weg zu bringen;

3. darauf einzuwirken, dass die Wirksamkeit des europäischen CO2-Zertifikatehandels deutlich verbessert wird und ein fairer und wirksamer Wettbewerb auf dem Energiemarkt stattfindet;

4. Maßnahmen und Programme zu entwickeln und umzusetzen, um energiesparendes Verhalten zu fördern;

5. die Mittel für Förderprogramme zu erhöhen, insbesondere für Effizienzsteigerungen in Bestandsgebäuden und den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, auch durch Erforschung innovativer Energietechnologien (z. B. Aufwindkraftwerke, Superge-othermie);

6. neue Förderprogramme zur Erforschung der CO2-Abscheidetechnologie und der dafür erforderlichen sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der effizienten Nutzung fossiler Brennstoffe einzurichten;

7. innovative Informations- und Kommunikationsprogramme zur Förderung eines nachhaltigen Lebensstils unter dem Motto „weniger konsumieren – besser leben“ einzuführen;

8. eine verstärkte Vorbildfunktion des Landes im Bereich der rationellen Energiever-wendung und des Energiesparens sowie der erneuerbaren Energiesysteme in öffentlichen Liegenschaften und im Fuhrpark zu übernehmen (Motto: „Wir gehen mit gutem Beispiel voran.“);

9. sich für eine begrenzte Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke um maximal 15 bis 20 Jahre einzusetzen, um auf der einen Seite einen längeren Zeitraum für die notwendige Umorientierung auf erneuerbare Energieträger zur Verfügung zu haben und auf der andere Seite die dadurch eingesparten Mittel zweckgebunden für eine nachhaltige Energieversorgung einsetzen zu können.

10. einen Runden Tisch für einen bundesweiten Energiekonsens einzurichten mit dem Ziel, die zukünftige Strategie im Energiesektor festzulegen und eine unabhängige „Deutsche Stiftung Nachhaltige Energieversorgung“ zu gründen.

„Wenn wir es nicht schaffen, zu einem weltweit gültigen Begrenzungsziel für Kohlendioxid-Emissionen und einem von allen akzeptierten Verteilungsmechanismus von Emissionsrechten zu kommen, werden wir die Klimafrage global nicht lösen können“, so das Beiratsmitglied Prof. Dr. Lutz Wicke. Dabei sollen jedoch die Fehler des geltenden europäischen Emissionshandels möglichst vermieden werden. „Der erwünschte Effizienzgewinn ist leider ausgeblieben“, so die Wirtschaftsexpertin Prof. Dr. Claudia Kemfert, ebenfalls Mitglied des NBBW. Im Gutachten wird deshalb ein Vorschlag unterbreitet, wie ein weltweites Emissionshandelssystem ausgestaltet werden sollte.

Zur Frage des Ausbaus der Kernenergie empfiehlt der NBBW, einen weltweiten Ausbau der Kernenergie als Mittel zum Klimaschutz nicht als eine realistische Option einzustufen, solange bestimmte Bedingungen zur Sicherheitskultur, zur Verhinderung der Proliferation, zur Endlagerung und zum Schutz gegen Terrorismus nicht erfüllt sind. Einer zeitlich befristeten Laufzeitverlängerung (maximal 20 Jahre) von deutschen Kernkraftwerken wird unter der Bedingung zugestimmt, dass alle sicherheitstechnischen Bedenken ausgeräumt werden können und eine rechtlich bindende Zusicherung bzw. vertragliche Vereinbarung getroffen werden kann, dass mindestens die Hälfte an den Kostenersparnissen der Energieversorgungsunternehmen durch die Laufzeitverlängerung an eine unabhängige, öffentlich-rechtliche „Deutsche Stiftung Nachhaltige Energieversorgung“ fließen muss1. Diese Stiftung habe die Aufgabe, Forschung, Entwicklung sowie Erprobung (Demonstration und Markteinführung) innovativer Verfahren zur nachhaltigen Energieversorgung und -nutzung finanziell zu fördern.

(Diese Empfehlung wird von Beiratsmitglied Ulrich Höpfner nicht mit getragen.)

Der NBBW ermutigt die Landesregierung in Baden-Württemberg, alles daran zu setzen, durch eigene Vorbildfunktion, landesweite Klimaschutzinitiativen, klare Positionierung nach außen, politische Mobilisierung, Kommunikation und Bündnisbildung einen eigenständigen Beitrag zu leisten, um die dringend gebotenen Schritte zu einer effektiven, gerechten und effizienten Klimapolitik vor Ort und weltweit in die Wege zu leiten.

Das Gutachten mit dem Titel „Wege zu einer nachhaltigen Energieversorgung in Baden-Württemberg“ kann bei der Geschäftsstelle des Nachhaltigkeitsbeirats Baden-Württemberg bestellt oder auf der Homepage des NBBW abgerufen werden.

Kontakt: Christian D. León
Geschäftsstelle des Nachhaltigkeitsbeirats Baden-Württemberg
Tel. 0711 685-83261
Fax 0711 685-82175
E-Mail: info@nachhaltigkeitsbeirat-bw.de
Internet: http://www.nachhaltigkeitsbeirat-bw.de
Die Mitglieder des Nachhaltigkeitsbeirats Baden-Württemberg:
o Dr. Peter Fritz, Forschungszentrum Karlsruhe
o Dr. Ulrich Höpfner, IFEU – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg
o Prof. Dr. Giselher Kaule, Institut für Landschaftsplanung und Ökologie, Universität Stuttgart
o Prof. Dr. Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
o Prof. Dr. Lenelis Kruse-Graumann, FernUniversität Hagen und Universität Heidelberg (stellv. Vorsitzende)
o Prof. Dr. Erika von Mutius, Klinikum der Universität München, Dr. von Haunersches Kinderspital
o Prof. Dr. Dr. Franz Josef Radermacher, Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung/n (FAW/n), Ulm
o Prof. Dr. Ortwin Renn, Institut für Sozialwissenschaften, Abteilung für Technik- und Umweltsoziologie, Universität Stuttgart (Vorsitzender)

o Prof. Dr. Lutz Wicke, Institut für UmweltManagement (IfUM), Europäische Wirtschaftshochschule Berlin

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Ursula Zitzler idw

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