Virtueller Wasserhandel – zwischen theoretischem Konzept und praktischer Umsetzung

In nahezu jeder Handelsaktion findet auch ein indirekter Handel mit Wasser statt, denn für die Gewinnung von Rohstoffen, die Erzeugung von Naruhngsmitteln genauso wie für die Herstellung der meisten anderen Güter wird Wasser im Produktionsprozess benötigt. Physisch ist das genutzte Wasser im Endprodukt nicht mehr oder nur noch zu geringen Anteilen enthalten und wird daher „virtuelles Wasser“ genannt. Lange Zeit wurde dieser „virtuelle“ Wasserhandel vernachlässigt, da er ökonomisch nicht sichtbar ist und politisch bisher kaum strategisch genutzt wird. Erst 1993 wurde von Tony Allan, Professor am King's College in London, die Debatte um das virtuelle Wasser angestoßen und dem Konzept des Virtuellen Wasserhandels zu verstärkter internationaler Aufmerksamkeit verholfen. Das Konzept eines strategisch eingesetzten Virtuellen Wasserhandels beruht darauf, dass das Wasserdefizit in wasserarmen Ländern durch den Import wasserintensiver Güter – vor allem Grundnahrungsmittel wie Getreide – aus wasserreichen Ländern ausgeglichen werden könnte. Auf diese Weise ist virtuelles Wasser in das globale System integriert, wie Tony Allan auf der Tagung unterstrich.

„Mit der Tagung verfolgen wir das Ziel, zu einem besseren Verständnis und zu einer Bewertung des Konzeptes beizutragen“, betonen die Tagungsleiter Dr. Diana Hummel und Dr. Thomas Kluge vom Institut für sozial-ökologische Forschung. „Insbesondere stellt sich die Frage, was es bedeutet, wenn virtueller Wasserhandel als eine politische Strategie der Umverteilung von Wasserressourcen und räumlichen Verlagerung der landwirtschaftlichen Produktion im internationalen Maßstab eingesetzt wird und für welche Länder er eine ökonomisch, gesellschaftlich und ökologisch sinnvolle Option darstellt“.

Arjen Hoekstra von der Universität Twente (Niederlande), der in Analogie zum ökologischen Fußabdruck sein Konzept des „water footprint“ vorstellte, zeigte anhand von Wasserbilanzen auf, wie sich in Verbindung mit den internationalen Handelsströmen der Im- und Export des virtuellen Wassers quer über den Globus darstellt. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem landwirtschaftliche Produkte wie Getreide, Fleisch, Obst und Gemüse, da der Agrarsektor weltweit mit ca. 70% aller Frischwassernutzungen den größten Wassererbrauch aufweist.

Überraschenderweise zählen Länder mit gemäßigtem Klima wie die Niederlande, Deutschland und Japan weltweit zu den zehn größten Netto-Importländern von virtuellem Wasser. Bewässerungen durch das so genannte „blaue“ Wasser – das Grund- und Oberflächenwasser – wird in neueren Untersuchungen gleichermaßen betrachtet wie das „grüne“, im Boden gebundene und durch Verdunstung aufsteigende Regenwasser. Diese Analysen führen mehr und mehr dazu, „dass wir heute an der Schwelle von einer theoretischen Debatte hin zum Einsatz des Konzeptes als strategisches Instrument stehen“, hob Richard Meissner aus Südafrika hervor.

Werden über die Analysen zum Virtuellen Wasserhandel die globalen Verteilungsprobleme sowie die politischen und ökonomischen Abhängigkeiten offenbar, bedarf die strategische Umsetzung eines sehr viel differenzierteren Blicks auf die Wirkungen sowohl für die importierenden und als auch die exportierenden Länder. Wirtschafts- und sozialstrukturelle Effekte und ökologische Auswirkungen fallen in einzelnen Ländern und Regionen sehr unterschiedlich aus, wie die auf der Tagung vorgestellten Fallbeispiele Südliches Afrika und Naher Osten verdeutlichten. So ist bspw. die fehlende sektorenübergreifende institutionelle Kooperation ein wesentliches Problem für eine wirksame Umsetzung. Komplex gestaltet sich auch das Zusammenwirken von internationalen, regionalen und nationalen Abkommen, Regelungen und Strategien. Wie Daniel Malzbender vom African Center of Research, Cape Town, erläutert, können sich die sektoralen Strategien im Widerspruch befinden. So geht die landwirtschaftliche Handelsstrategie Südafrikas von einer grenzüberschreitenden Kooperation im SADC (South African Development Community) aus, um im Rahmen des SADC-Handelsprotokolls den landwirtschaftlichen Export und effizientere Verteilungsnetzwerke zu fördern. Auf der anderen Seite betont die Strategie des nachfrageorientierten Wasser-Managements für den landwirtschaftlichen Sektor die Notwendigkeit einer effizienteren Wassernutzung, um die Landwirtschaft Südafrikas für den Wettbewerb mit den Importen aus den anderen SADC-Ländern zu befähigen.

Wie die Tagungsteilnehmer übereinstimmend feststellten, ergibt sich daraus die Notwendigkeit zur Regionalisierung von Analyse und Bewertung der Implikationen virtuellen Wasserhandels. Dazu ist eine integrierte Betrachtung unterschiedlicher Sektoren unter Beteiligung der relevanten Stakeholder erforderlich. Virtueller Wasserhandel sollte nicht losgelöst von einer Regionalentwicklung betrachtet werden. Das bedeutet, dass er nicht im Widerspruch stehen sollte zum Integrierten Wasserressourcen-Management (IWRM), welches durch die Nachhaltigkeitskonferenz in Johannesburg in 2002 auf die internationale Agenda gebracht wurde. „Bei allen Potentialen des Virtuellen Wasserhandels kann seine politisch-strategische Umsetzung nur gelingen, wenn es einen Anschluss an die Agenda der Entscheidungsträger gibt“, unterstrich Dr. Thomas Kluge.

Um das Konzept des Virtuellen Wasserhandels in eine sinnvolle und strategisch geplante Umsetzung zu bringen, müssen die entsprechenden Forschungsmaßnahmen nicht nur am Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet werden, sondern auch die relevanten Akteure – von Regierungen und Administration über Landwirtschaftsvertreter bis hin zu lokalen Organisationen – im Forschungsprozess einbezogen werden, um praxistaugliche Lösungen entwickeln zu können.

Die Tagung „Virtual Water Trade“ wurde veranstaltet vom Forschungsbereich „Wasser und nachhaltige Umweltplanung“ des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt am Main sowie dem Forschungsprojekt „Die Versorgung der Bevölkerung“, das im Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

Pressekontakt:
Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE)
Wissenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Michaela Kawall
Hamburger Allee 45
60486 Frankfurt am Main
Tel.: 069?707 69 19?30
Fax: 069?707 69 19?11
E-Mail: kawall@isoe.de

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