Kohlendioxid: Mit dem Zuckerexpress in die Tiefe des Ozeans

Modell-Ökosysteme in einem norwegischen Fjord. Foto: A. Benthien (AWI)

In den Weltmeeren kann wesentlich mehr von dem Treibhausgas Kohlendioxid in die Tiefsee transportiert werden, als bisher angenommen.

Darauf weisen Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven und des Laboratoire d’Océanographie de Villefranche in Frankreich in der heutigen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature hin (siehe unten). In ihrer Arbeit zeigen die Wissenschaftler, dass die im Wasser gelösten, von Algen produzierten Zuckermoleküle durch ihre Zusammenlagerung Partikel bilden. Diese Partikel spielen eine wesentliche Rolle bei dem vertikalen „Transport“ organischer Kohlenstoffverbindungen in die Tiefsee. Bislang war man von der Annahme ausgegangen, dass gelöste organische Substanzen nicht zum vertikalen Kohlenstofftransport in die Tiefsee beitragen.

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen gelösten und partikulären Substanzen im Ozean. Während gelöste Substanzen mit dem Wasser treiben, sinken Partikel, wie zum Beispiel Algenmaterial, ab und können somit Elemente wie Kohlenstoff von der Wasseroberfläche in die Tiefsee bringen. Der größte Teil der von Algen produzierten organischen Kohlenstoffverbindungen liegt im Meer jedoch in gelöster Form vor. Spezielle, gelöste Zuckerverbindungen, die sauren exopolymeren Polysacchariden, können untereinander zu Partikeln verkleben. „Wir haben nun gezeigt, dass die Bildung von diesen Partikeln im Verlauf von Algenblüten schneller ist als die bakterielle Zersetzung der gelösten Zucker. Somit können diese Partikel, die reich an Kohlenstoff sind, in den tiefen Ozean absinken“, erklärt die leitende Wissenschaftlerin dieser Studie Dr. Anja Engel.

Die Wissenschaftler führten ihre Experimente in elf Kubikmetern großen Modell-Ökosystemen (Mesokosmen) durch, die in einem norwegischen Fjord ausgebracht waren. Über 16 Tage wurde gelöstes und partikuläres Material in einer Blüte der kalkbildenden Alge Emiliania huxleyi beprobt. Mit einem Computermodell ist es den Wissenschaftlern daraufhin zum ersten Mal gelungen, die Dynamik der Bildung von Partikeln aus gelösten Zuckermolekülen zu simulieren.

Die Produktion von exopolymeren Polysacchariden hängt von der Physiologie und der Artenzusammensetzung der Algen ab. Auch globale Umweltveränderungen, wie der Anstieg der Kohlendioxidkonzentration oder der Eintrag von Nährstoffen in die oberen, produktiven Wasserschichten, werden vermutlich die Bildung von Zuckern beeinflussen. Das könnte Konsequenzen für die Aufnahme und Speicherung von Kohlendioxid im Ozean haben.

Polysaccharide aggregation as a potential sink of marine dissolved organic carbon, Anja Engel (Alfred-Wegener-Institut; zurzeit als Gastwissenschaftlerin an der State University New York at Stony Brook beschäftigt), Silke Thoms (Alfred-Wegener-Institut), Ulf Riebesell (Alfred-Wegener-Institut; zurzeit am Institut für Meereskunde an der Universität Kiel), Emma Rochelle-Newall (Laboratoire d’Océanographie de Villefranche in Frankreich; zurzeit am Centre IRD de Noumea, New Caledonia) & Ingrid Zondervan (Alfred-Wegener-Institut). Nature, 29. April 2004.

Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Das AWI koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher „Polarstern“ für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das AWI ist eines der fünfzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands

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Dipl.-Ing. Margarete Pauls idw

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