Zank unter Geschwistern macht schlau
Geschwister beschleunigen die Entwicklung eines Kleinkindes. Das gilt auch für den Fall, dass sie einander ständig in den Haaren liegen, berichten Forscher der Universität Cambridge. Gerade Streitereien unter Kleinkindern fördern deren soziales Verstehen und die Konfliktlösung, helfen dem emotionalen Wachstum und beschleunigen sogar das Vokabellernen, so Claire Hughes in ihrem Buch „Social Understanding and Social Lives“.
Spielwiese des sozialen Lernens
Die Forscher begleiteten 140 Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen vom zweiten bis zum sechsten Lebensjahr. Sie filmten ihre Interaktion mit dem Umfeld, befragten Eltern, Erzieher und die Kinder selbst und testeten Planungskompetenz, Arbeitsgedächtnis und Selbstkontrolle. Während anhaltende Rivalität Verhaltensprobleme und langfristige Folgen nach sich ziehen kann, wirken sich mildere Formen der Auseinandersetzung jedoch durchwegs positiv aus. Kinder profitieren meistens von Geschwistern, auch wenn die Beziehung nicht herzlich ist, so das Resümee der Wissenschaftler.
„Geschwister sind eine Spielwiese der sozialen Interaktion. Sie erlauben das Ausprobieren und die Entwicklung der 'Soft Skills'“, erklärt der Münchner Familienforscher Hartmut Kasten http://www.hartmut-kasten.de im pressetext-Interview. Anders als in Kindergruppen dürfen Kinder unter Geschwistern auch laut werden, die Ellbogentechnik einsetzen oder „Nein“ sagen. Wertvoll sei auch das unterschiedliche Alter – denn nicht nur jüngere profitieren sozial und kognitiv, sondern auch ältere Geschwister, letztere etwa im Nachgeben, Kompromisse finden sowie in der Empathie.
Geduld mit Hund und Katz
Laut Kasten ist bei Geschwistern ein Altersabstand von drei Jahren optimal, da er das gegenseitige Lernen am ehesten ermögliche. „Ein engerer Abstand sowie das gleiche Geschlecht bringt viel Austausch, Nähe und Vertrauen, erhöht jedoch auch die Gefahr von Rivalität und Eifersucht.“ Konfliktreich sei dabei nicht nur das Teilen der Spielzeuge und der Elternliebe, sondern auch das ständige Aufholen-Wollen sowie der Vergleich mit dem Vorbild, der von der auf Konkurrenz orientierten Gesellschaft ständig eingeimpft werde.
Die Cambridge-Forscherin Hughes betont, dass Eltern ihre Kinder ruhig streiten lassen sollten. Auch Kasten rät zur Geduld. „Häufig sind Eltern leidgeprüft, wenn sich Kinder ständig wie Hund und Katz verhalten. Doch Kinder brauchen den Streit.“ Aktiv solle die elterliche Beobachterrolle dennoch sein, um eine positive Streitkultur zu gewährleisten. „Streite dürfen nicht immer nach demselben Muster ablaufen, etwa wenn ständig das jüngere Kind provoziert und das ältere mit Brachialgewalt antwortet. Spätestens bei körperlichen Übergriffen ist Einlenken unbedingt nötig.“
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