Experten fordern neue Waldpolitik – Studie legt Bausteine für zukunftsfähige Waldpolitik vor

Die Fachleute aus den Bereichen Holz, Forst, Naturschutz und Politik mahnen an, sich schon jetzt für die zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu wappnen.

„Förstern wird nachgesagt, sie hätten das Prinzip der Nachhaltigkeit erfunden. Doch wie soll man heute die Bewirtschaftung des Waldes langfristig planen, wenn sich unsere Umwelt rasch wandelt und zukünftige Entwicklungen sehr ungewiss sind?“, so Prof. Ulrich Schraml, Waldexperte der Universität Freiburg. Für die heutigen Waldbesitzer werde es immer schwieriger, den vielfältigen gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden.

So machen gleichzeitig Naturschutzverbände, Holzindustrie und Brennholzkunden einen größeren Bedarf nach Fläche und Rohstoff geltend. „Wenn es in Zukunft gelingen soll, eine Balance dieser Ziele zu erreichen, sind schon heute politische Korrekturen überfällig“, mahnt Schraml mit Blick auf die mehrfach gescheiterte Novellierung des Bundeswaldgesetzes an: „Nichtstun hat einen hohen Preis. Denn schon heute bestimmen wir das Gesicht des Waldes für unsere Kinder und Enkelkinder“.

Im fachübergreifenden Forschungsprojekt „Zukünfte und Visionen Wald 2100“ haben Experten aus den Forstwissenschaften, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und der Zukunftsforschung nun Bausteine für eine zukunftsfähige Waldpolitik erarbeitet. In einer in der Waldwirtschaft einmaligen Delphi-Befragung haben 640 Stakeholder aus Forst- und Holzwirtschaft, Wissenschaft, Verwaltungen und Verbänden einen Blick in die Zukunft gewagt und dabei ihr Know-how und ihre Erfahrungen eingebracht.

„So konnten zentrale Zukunftsfragen, Entwicklungen und Steuerungserfordernisse identifiziert und bewertet werden, denen die Wald- und Forstwirtschaft gegenübersteht“, erklärt Siegfried Behrendt, Zukunftsforscher am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung. Diese zentralen Zukunftsfragen des Waldes wurden auf mehreren Konferenzen und Experten-Workshops mit relevanten Akteuren diskutiert. Auch Schüler und Auszubildende haben im Rahmen einer Jugendkonferenz ihre Wünsche und Visionen für die Zukunft des Waldes formuliert.

„Beim Wald geht es nicht nur um Holzproduktion oder Naturschutz. Wald ist unverzichtbar für Wasserhaushalt, Kohlenstoffspeicherung und klimatischen Ausgleich – und er bietet Erholungsraum für den Menschen“, so Dr. Jesko Hirschfeld, Fachmann für Wasser- und Landmanagement am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. „Waldpolitik geht uns alle an – nicht nur die Forstpolitiker und Waldexperten.“ Insbesondere beanstanden die Experten eine fehlende Langfristperspektive der deutschen Waldpolitik. Sie fordern die Entscheidungsträger nachdrücklich auf, sich mit der Zukunft des Waldes auseinanderzusetzen und eine Waldpolitik jenseits von Ressortdenken und mittelfristigen Teillösungen zu betreiben.

Als Grundlage für die Gestaltung der Waldpolitik haben die Wissenschaftler drei mögliche Entwicklungsszenarien für den Wald bis zum Jahr 2100 erarbeitet. „Szenarien sind keine Prognosen“, so Beate Schulz-Montag, Zukunftsforscherin bei Z_punkt The Foresight Company. „Aber sie fördern ein zukunftsrobustes Handeln heutiger Akteure, indem sie die langfristigen Auswirkungen heutiger Weichenstellungen sowie die Chancen und Risiken unterschiedlicher Zukunftsstrategien aufzeigen.“

Mit folgenden Empfehlungen wenden sich die Experten an die Politik:

– Die von der Großen Koalition versäumte Novellierung des Bundeswaldgesetzes sollte vom neu gewählten Bundestag möglichst schnell wieder in Angriff genommen und damit wichtige Grundlagen für eine nachhaltige Waldnutzung geschaffen werden.

– Vor allem der Umgang mit neuen Nutzungsformen zwischen Land- und Forstwirtschaft wie Kurzumtriebsplantagen und Agroforstsystemen muss endlich geregelt werden. Aber auch veränderte Waldeigentumsverhältnisse und Bedürfnisse der Holzindustrie verlangen ein Nachjustieren der veralteten gesetzlichen Regelungen.

– Waldpolitik ist als politische Querschnittsaufgabe aktiv zu gestalten. Die Bündelung und Abstimmung der verschiedenen Interessen in einer Gesamtwaldstrategie sollte von der Bundesregierung konsequent fortgesetzt und mit den Ländern abgestimmt werden.

– Um in Deutschland einen fortdauernden Dialog über die Zukunft der Waldnutzung führen zu können, sollte der ins Stocken geratene Prozess des Nationalen Waldprogramms durch eine Orientierung auf Zukunftsfragen und eine höhere Verbindlichkeit seiner Ergebnisse wieder in Schwung gebracht werden.

Das Projekt „Zukünfte und Visionen Wald 2100“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Nachhaltige Waldwirtschaft“ gefördert.

Projektpartner im Verbund Waldzukünfte:
Institut für Forst- und Umweltpolitik (IFP) an der Universität Freiburg, INFIS – Institut für internationale Sozialforschung e.V. (Projektkoordination), Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), Karl Moser Consulting, Professur für Umweltethik am Institut für Botanik und Landschaftsökologie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Z_punkt The Foresight Company

Media Contact

Richard Harnisch idw

Weitere Informationen:

http://www.waldzukuenfte.de

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