Jeder dritte 15-Jährige hat sich mehrmals in Rausch getrunken

Eine neue Studie zeigt, dass in Nordrhein-Westfalen jeder dritte 15-jährige Junge und jedes vierte Mädchen in diesem Alter angibt, bereits mindestens zweimal betrunken gewesen zu sein. Für die Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) ist eine Forschergruppe der Universität Bielefeld verantwortlich. Leiterin der Gruppe ist Professorin Dr. Petra Kolip von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften.

Für die fünfte Auflage der HBSC-Studie wurden Jugendliche in ganz Deutschland befragt. Die Erhebung wurde durch eine Repräsentativbefragung in Nordrhein-Westfalen (HBSC-NRW-Studie) ergänzt. Die HBSC-NRW-Studie 2009/10 zeigt, dass der Alkoholkonsum im Jugendalter nach wie vor verbreitet ist: 15 Prozent der 15-jährigen Mädchen und 25 Prozent der Jungen geben an, mindestens einmal pro Woche ein alkoholisches Getränk zu konsumieren. Die beliebtesten Getränke sind Biermixgetränke und Bier, gefolgt von Alkopops (Gemisch von Spirituosen wie Wodka mit Limonade oder anderen süßen Getränken), während Wein und Sekt nur selten konsumiert werden.

Mit dem Alter steigen Alkoholkonsum und Rauscherfahrungen und es lassen sich Zusammenhänge zum familiären Wohlstand herstellen. Diese Zusammenhänge sind vor allem bei den Jungen ausgeprägt, bei den Mädchen finden sich leicht gegenläufige Tendenzen. „Interessanterweise ist der Alkoholkonsum in wohlhabenden Familien von Jungen deutlich häufiger und auch das rauschhafte Trinken tritt in diesen Familien häufiger auf“, sagt Professorin Dr. Petra Kolip, Koordinatorin der Studie. „Anders als das übliche Vorurteil, das riskanten Alkoholkonsum in sozial benachteiligten Familien verortet, zeigen unsere Daten, dass riskanter Konsum in allen Sozialschichten auftritt und in höheren Schichten zumindest bei Jungen ausgeprägter ist.“ Diese Ergebnisse werden Kolip zufolge durch andere Studien gestützt.

Die Studie belegt auch Geschlechtsunterschiede: Auch wenn der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen längst nicht mehr so ausgeprägt ist, konsumieren Jungen noch immer mehr und regelmäßiger Alkohol, und sie trinken auch häufiger bis zum Rausch. Ein Migrationshintergrund hingegen scheint vor regelmäßigem und riskantem Konsum zu schützen – nicht zuletzt, weil religiöse und kulturelle Regeln dem Alkoholkonsum oftmals entgegenstehen. Als Konsequenz aus den Ergebnissen folgert das Bielefelder Forschungsteam, dass Interventionsprogramme zum maßvollen Umgang mit Alkohol individuell ausgerichtet sein sollten und dass sie vor allem die Jungen in den Blick nehmen sollten. Darüber hinaus sind nach Ansicht der Forscher auch gesellschaftliche und politische Anstrengungen notwendig: Werbung sollte beschränkt und der Zugang zu alkoholischen Produkten erschwert werden.

Die Studie wurde koordiniert von dem Bielefelder WHO Collaborating Centre for Child and Adolescent Health Promotion (Kollaborationszentrum der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Kinder- und Jugendgesundheitsförderung) unter Leitung von Professorin Dr. Petra Kolip von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Für die HBSC-NRW-Studie wurden 5.860 Schülerinnen und Schülern der 5., 7. und 9. Klasse an 108 allgemeinbildenden Schulen befragt. Grundlage war ein standardisierter Fragebogen, mit dem nicht nur das gesundheitsrelevante Verhalten erfragt wurde, sondern auch erfasst wurde, wie die Schülerinnen und Schüler selbst ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität einschätzen. Erhoben wurden auch soziale Einflussfaktoren auf die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten wie Schulklima, familiärer Wohlstand sowie die Beziehung zu Eltern und Freunden.

Die Ergebnisse der Studie sollen für die Gesundheitsförderung und Maßnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung genutzt werden. So wurden Faktenblätter für Eltern und Lehrer entwickelt, die auf der Homepage des deutschen HBSC-Teams abgerufen werden können: www.hbsc-germany.de/downloads. Die ersten Ausgaben widmen sich unter anderem den Themen Häufigkeit des Frühstückens, Körperbild und Diätverhalten, Sexualität und Verhütungsverhalten, Nutzung von Computer und Spielkonsole sowie sportliche Aktivität.

Das WHO Collaborating Centre in Bielefeld ist der Fakultät für Gesundheitswissenschaft der Universität Bielefeld angegliedert. Die Durchführung der HBSC-Studie gehört zu den Hauptaufgaben des Centres. Außerdem unterstützt das Centre unter anderem internationale Publikationen aus den HBSC-Ergebnissen, wie etwa den International Report zu den HBSC-Befragungen 2009/10, der im Mai 2012 erscheint.

Kontakt:
Prof. Dr. Petra Kolip, Universität Bielefeld
Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Telefon: 0521 106-67273
E-Mail: petra.kolip@uni-bielefeld.de

Media Contact

Sandra Sieraad idw

Weitere Informationen:

http://www.hbsc-germany.de/

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