Geringes "Commitment" bei Hochqualifizierten in der chemischen Industrie

Mehr als die Hälfte der Führungskräfte empfindet kein ausgeprägtes Gefühl der Zugehörigkeit zum eigenen Unternehmen. Das ist das – durchaus überraschende und Besorgnis erregende – Ergebnis einer repräsentativen Befragung in der chemischen Industrie.

1.600 Führungskräfte haben Bochumer Sozialwissenschaftler um Prof. Dr. Ludger Pries schriftlich nach ihrer Bindung (Commitment) und Loyalität zum Unternehmen befragt. Ihr Fazit: Insbesondere wenn das Gefühl besteht, dass die eigene berufliche Entwicklung ins Stocken gerät und die erwartete Anerkennung fehlt, sind Führungskräfte abwanderungswillig.

Erfolgsgaranten an der Nahtstelle

Befragt haben Prof. Ludger Pries und seine Mitarbeiter vom Lehrstuhl für Organisationssoziologie und Mitbestimmungsforschung die Führungskräfte im Auftrag des Verbandes angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie (VAA). Die Gruppe der „Hochqualifizierten“ arbeitet an der Nahtstelle zwischen den Belegschaften und den Geschäftsführungen der Unternehmen. Sie sind entscheidend am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens beteiligt, werden zugleich aber auch stark gefordert. „Durch ihr Fachwissen und ihre Schlüsselqualifikationen sind sie entscheidende Leistungsträger“, so Prof. Pries. „Deshalb sind die Loyalität und das Commitment dieser Beschäftigten gegenüber ihrem Unternehmen von herausragender Bedeutung.“

Eine Frage der Bezahlung und der Orientierung

Die Ergebnisse der Untersuchung sind in Zeiten des allgemein beklagten „Fach- und Führungskräftemangels“ indes alarmierend. Teils händeringend suchen Unternehmen gut bzw. hoch qualifizierten Nachwuchs. Die Führungskräfte im eigenen Unternehmen zu halten, ist ein Garant für wirtschaftlichen Erfolg. Die ausgeprägte Leistungsorientierung dieser Beschäftigtengruppe entspricht nicht zwangsläufig auch einer starken Unternehmensbindung. Im Gegenteil: Rund 40 Prozent der befragten Hochqualifizierten geben an, eine besser bezahlte Stelle annehmen zu wollen, wenn sich die Gelegenheit böte. Bezogen auf ihre Arbeitsorientierungen und -motivation identifizierten die Bochumer Forscher vier Gruppen von Beschäftigten: bei einer stehen die persönlichen Nutzenvorstellungen im Vordergrund (18%), bei einer zweiten die beruflich-fachlichen Interessen (20%) – bei beiden Gruppen zeigt sich kein ausgeprägtes Commitment zum Unternehmen. Eine dritte Gruppe von Befragten ist durch hohe (Karriere-)Bindung an das jeweilige Unternehmen gekennzeichnet (22%), und bei einer vierten Gruppe steht die emotionale Bindung an den unmittelbaren Arbeitsbereich im Vordergrund (19%) – bei diesen beiden Gruppen konnten die Forscher eine starke Organisationsbindung nachweisen (21% der Befragten konnten nicht eindeutig zugeordnet werden).

Angemessen reagieren

„Für Unternehmen gilt es, diesen sich wandelnden Ansprüchen der hochqualifizierten Beschäftigten angemessen zu begegnen“, so Pries. „Denn nur zufriedene Führungskräfte werden auf Dauer ihre Leistung in vollem Umfang den Unternehmen zur Verfügung stellen.“ Die Gruppe der Hochqualifizierten werde – im Übergang zur Wissensgesellschaft – insgesamt weiter wachsen, prognostizieren die Bochumer Forscher, und damit auch ihr Beitrag am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Ludger Pries, Fabian Hoose, Lehrstuhl für Organisationssoziologie und Mitbestimmungsforschung, Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB, Tel. 0234/32-25161, E-Mail: fabian.hoose@rub.de

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Dr. Josef König idw

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