"Verkehrte" Elektronen am Saturnhimmel

Vorsicht, Teilchenbeschuss! Mit dem Instrument MIMI an Bord der Raumsonde Cassini haben Forscher Elektronenstrahlen gemessen, die in die "verkehrte" Richtung fliegen: Sie werden in der Polarlichtregion des Saturn von dem Planeten weg beschleunigt. Bild: Universität zu Köln / Joachim Saur

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung entdecken ungewöhnliche Teilchenstrahlen in der Polarlichtregion des Planeten

Der Anblick irdischer Polarlichter ist faszinierend. Auch auf anderen Planeten lässt sich das Leuchtspektakel beobachten. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau haben jetzt mit dem Teilchenspektrometer MIMI an Bord der Raumsonde Cassini die Polarlichtregion des Saturn untersucht. Dabei fanden sie heraus, dass hier Elektronen nicht nur zum Planeten hin, sondern auch von ihm weg beschleunigt werden (Nature, 9. Februar 2006).

Irdische Polarlichter entstehen, wenn Elektronen oberhalb der Atmosphäre zur Erde hin beschleunigt werden. Treffen diese Elektronen auf die hohe Erdatmosphäre, wird diese zum Leuchten angeregt. Vor einigen Jahren entdeckten Forscher, dass Elektronen innerhalb der Polarlichtregion auch in die „verkehrte“ Richtung, also von der Erde weg, beschleunigt werden. Diese anti-planetaren Elektronen bringen die Atmosphäre jedoch nicht zum Leuchten, und über deren Entstehung rätseln die Wissenschaftlern immer noch.

Unklar war bisher auch, ob die anti-planetaren Elektronen nur auf der Erde vorkommen. Ein internationales Team unter der Leitung von Joachim Saur (Universität zu Köln) hat jetzt auf dem Saturn Elektronen entdeckt, die aus der Polarlichtregion des Planeten in die „verkehrte“ Richtung, also anti-planetar, beschleunigt werden. Diese Teilchen wurden mit Hilfe des „Magnetospheric Imaging Instruments“ (MIMI) an Bord der NASA-Raumsonde Cassini gemessen. Einen Sensor dieses Instruments („Low Energy Magnetospheric Measurement System“, kurz LEMMS) haben Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung entwickelt und gebaut.

Für ihre Messungen nutzten die Forscher die Rotation der Raumsonde und des Sensors, um Richtung, Anzahl und Stärke der Elektronenstrahlen zu bestimmen. Dann verglichen sie die Ergebnisse mit Aufnahmen der Polarlichtregion und stellten sie einem globalen Modell des Saturn-Magnetfelds gegenüber. Dabei stellte sich heraus, dass die Fußpunkte der magnetischen Feldlinien, auf denen die Elektronenstrahlen gemessen wurden, erstaunlich gut mit der Polarlichtregion übereinstimmen.

Aus der starken Bündelung des Elektronenstrahls (Öffnungswinkel kleiner als 10 Grad) schlossen die Wissenschaftler auf die Quelle der Strahlen: Sie muss sich oberhalb der Polarlichtregion, aber innerhalb eines Abstands von maximal fünf Saturnradien befinden. Die Ähnlichkeit der gemessenen Strahlen bei den Planeten Erde, Jupiter und jetzt auch Saturn lässt vermuten, dass es sich hierbei um einen fundamentalen Prozess bei der Entstehung von Polarlichtern handelt.

Bei ihren Messungen arbeiteten Norbert Krupp und seine Kollegen Andreas Lagg sowie Elias Roussos vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung eng mit Wissenschaftlern des Instituts für Geophysik und Meteorologie der Universität zu Köln und des Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University (USA) zusammen. Die amerikanischen Forscher unter Leitung von Tom Krimigis sind für die Bedienung und die Koordination des Instrumentes auf der Raumsonde Cassini verantwortlich.

Originalveröffentlichung:

J. Saur, B.H. Mauk, D. G. Mitchell, N. Krupp, K.K. Khurana, S. Livi, S. M. Krimigis, P. T. Newell, D. J. Williams, P.C. Brandt, A. Lagg, E. Roussos, M. K. Dougherty
Electron beams at Saturn indicate universality of anti-planetward auroral acceleration

Media Contact

Dr. Andreas Trepte Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer