Barnards Galaxie: Klein, aber oho

Barnards Galaxie <br>Bildnachweis: ESO <br>

Die Galaxie weist einige interessante Sternentstehungsgebiete und sehenswerte Nebel auf, etwa die blasenartige Struktur in der oberen linken Ecke dieses Übersichtsbildes.

NGC 6822 gehört aufgrund ihrer ungewöhnlichen Form und ihrer geringen Größe zur Klasse der irregulären Zwerggalaxien. Die unregelmäßigen Formen solcher Galaxien geben Aufschluss darüber, wie Galaxien miteinander in Wechselwirkung treten, sich weiterentwickeln, und mitunter auch dem Kannibalismus verfallen.

Das neue ESO-Bild zeigt Barnards Galaxie hinter einem Schleier von Vordergrundsternen. Die Galaxie steht von der Erde aus gesehen im Sternbild Schütze. Sie ist uns vergleichbar nahe – nur 1,6 Millionen Lichtjahre entfernt – und damit ein Mitglied der Lokalen Gruppe von Galaxien, zu der auch unsere Milchstraße gehört. Benannt ist NGC 6822 nach ihrem Entdecker, dem US-amerikanischen Astronomen Edward Emerson Barnard, der die im sichtbaren Licht eher unscheinbare Galaxie im Jahre 1884 mit einem Linsenteleskop mit 12,5 Zentimeter Öffnung entdeckte.

Die nun veröffentlichte aktuelle Portraitaufnahme der Galaxie wurde mit dem Wide Field Imager (WFI) angefertigt, einer astronomischen Kamera mit besonders großem Blickfeld, die am 2,2-Meter MPG/ESO-Teleskop am ESO-Observatorium La Silla in Nordchile montiert ist. Mag Barnards Galaxie auch nicht die majestätischen Spiralarme oder die leuchtende zentrale Verdickung ihrer größeren Vettern – der Milchstraße, der Andromedagalaxie und dem Dreiecksnebel – aufweisen: Bei genauem Hinsehen bietet diese Zwerggalaxie eine Reihe ganz eigener spektakulärer Leuchteffekte. Dazu gehören die in diesem Bild sichtbaren rötlichen Gebiete, in denen sich neue Sterne bilden. Vergleichsweise junge, heiße Sterne in diesen Regionen erhitzen das umgebende Gas und regen es so zum Leuchten an. Im Bild oben rechts präsentiert sich ein weiteres interessantes Objekt: ein blasenartiger Nebel, der eine Gruppe massereicher Sterne enthält, die beachtliche Mengen an Materie auswerfen. Wo diese Materie auf das umgebende interstellare Medium trifft, kommt es zu Leuchtphänomenen, die aus unserem Blickwinkel wie ein leuchtender Ring erscheinen. Ähnliche heiße Materieauswürfe junger Sterne finden sich noch an vielen anderen Stellen der Galaxie.

Barnards Galaxie ist in der Tat ein Zwerg – nur rund ein Zehntel so groß wie die Milchstraße, mit einer Gesamtzahl von nur rund 10 Millionen Sternen (im Vergleich mit schätzungsweise 400 Milliarden Sternen der Milchstraße). Solche Zwerggalaxien sind in unserer Lokalen Gruppe – und im übrigen Universum – deutlich häufiger als ihre größeren, regelmäßiger geformten Vettern.

Die unregelmäßige Form von irregulären Zwerggalaxien wie Barnards Galaxie entsteht bei Beinahe-Zusammenstößen mit anderen Galaxien, oder im Zuge von „Verdauungsprozessen“. Galaxien sind in ständiger Bewegung, und dabei kann es zu Beinahe-Zusammenstößen oder sogar zur Durchdringung zweier Galaxien kommen. Die Sternendichte in Galaxien ist vergleichsweise gering, so dass es während solcher Begegnungen nur äußerst selten zu Sternzusammenstößen kommt. Allerdings bewirkt die Schwereanziehung weitreichende Verformungen der Galaxien, die dort zusammenstoßen oder nahe aneinander vorbeifliegen. Dabei können ganze Sternengruppen aus ihrer Heimatgalaxie herausgerissen oder -geschleudert werden, die dann als irregulär geformte Zwerggalaxien wie NGC 6822 durch das All treiben.

Hintergrundinformationen

Das MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop wurde 1984 in Betrieb genommen und ist eine Leihgabe der Max-Planck-Gesellschaft an ESO. Sein Wide Field Imager, eine astronomische Kamera mit besonders großem Blickfeld und einem Detektor mit 67 Millionen Pixeln, liefert Bilder, die nicht nur von wissenschaftlichem, sondern auch von ästhetischem Wert sind.

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.

Media Contact

Dr. Markus Pössel Max-Planck-Gesellschaft

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