Wie der Stoffwechsel im Zellkern (Krebs-)Gene kontrolliert

Stefan Kubicek, Forschungsgruppenleiter des CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften CeMM/Sazel

Welchen Einfluss hat der Stoffwechsel auf die Gene? Und wie wirkt sich die Verteilung von Stoffwechselmolekülen im Zellkern auf die Entstehung von Krebs aus? Um diese Kernfragen zu beantworten, wurde ein „Consolidator Grant“ des Europäischen Forschungsrates an Stefan Kubicek, Forschungsgruppenleiter am CeMM, vergeben.

Gene brauchen Kontrolle. Dieses wichtigste Prinzip für eine funktionierende Zelle, und damit für einen gesunden Organismus, wird seit langem erforscht. Das Wissen um die Regulierung und Aktivität der Gene und ihrer Produkte – der sogenannten Genexpression – ist in den letzten Jahrzehnten enorm angewachsen.

So konnte die Erforschung der Epigenetik etwa zeigen, dass eine große Vielfalt an Biomolekülen im Zellkern auf ganz bestimmte Bereiche des Erbguts verteilt sind und damit zur Genregulierung und Identität der Zelle beitragen. Von kleinen Stoffwechselmolekülen, den sogenannten niedermolekularen Metaboliten, nahm man dagegen bisher an, dass sie gleichmäßig und passiv im Zellkern verteilt werden und keine direkte Rolle bei der Genexpression spielen.

Dieser Annahme widerspricht Stefan Kubicek, Forschungsgruppenleiter am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: Basierend auf vorläufigen Ergebnissen aus seinem Labor stellte er die Hypothese auf, dass niedermolekulare Metaboliten sich ebenfalls in ganz bestimmten Regionen des Zellkerns anreichern und einen entscheidenden Beitrag zur Regulierung der Genexpression leisten – aber auch bei Krebserkrankungen eine Rolle spielen. Um zu erforschen, ob diese Hypothese zutrifft, wurden Stefan Kubicek nun 2 Millionen Euro Förderung in Form eines ERC Consolidator Grants des Europäischen Forschungsrates zugesprochen.

Experimentell gliedert sich Kubicek´s Projekt, dem er den Namen „Chromabolism“ (engl. Wortkreuzung aus chromatin und metabolism) gegeben hat, in vier Teile. Zunächst wird der Kern von speziellen Leukämiezellen kartiert: alle Stoffwechselenzyme, die an Chromatin – dem Material, aus dem Chromosomen bestehen – gebunden sind, sowie dazugehörigen Metaboliten, sollen erfasst und gemessen, und die dafür nötige Technologie entwickelt werden.

Dann werden Methoden entworfen, mit denen die molekularen Verhältnisse im Kern gezielt gestört werden können. Basierend auf den so gewonnenen Daten sollen Modelle geschaffen werden, die den Einfluss von niedermolekularen Metaboliten auf die Entstehung und Vermehrung von Krebszellen vorhersagen können. Schließlich sollen Wirkstoffe gefunden werden, die in die Stoffwechselprozesse im Kern von Krebszellen eingreifen können.

„Mein ERC-Projekt „Chromabolism“ basiert auf der Hypothese, dass Stoffwechselprozesse auch im Zellkern stattfinden und dort die Aktivität der Gene und die Eigenschaften der Zelle beeinflussen. Wir entwickeln Technologien, um die Verteilung von kleinen Stoffwechselmolekülen im Zellkern zu messen und zu verändern, und so langfristig neue potentielle Ansatzpunkte zur Behandlung von Blutkrebs zu identifizieren.“ fasst Stefan Kubicek sein Projekt zusammen.

Die ForschungsgruppenleiterInnen am CeMM haben bisher 2 ERC Advanced Investigator Grants, 4 ERC Starting Grants und 2 Proof of Concept Grants eingeworben. Stefan Kubicek erhält den ersten ERC Consolidator Grant des Instituts. ERC Consolidator Grants unterstützen exzellente ForscherInnen in einem frühen Karrierestadium bei der Festigung und dem Ausbau ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit. Dies erfolgt oftmals durch den Ausbau einer eigenen Forschungsgruppe. Die maximale Förderung für ERC Consolidator Grants beträgt 2,0 Mio. Euro für 5 Jahre. https://erc.europa.eu/funding/consolidator-grants

Bilder im Anhang: Stefan Kubicek, Forschungsgruppenleiter des CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (©CeMM/Sazel)

Stefan Kubicek studierte organische Chemie in Wien und Zürich und promovierte in der Gruppe von Thomas Jenuwein am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Darauf folgte seine Arbeit als Postdoc bei Stuart Schreiber am Broad Insitute von Harvard und MIT im US-Amerikanischen Cambridge. 2010 begann er als Gruppenleiter am CeMM zu arbeiten. Er ist Leiter des Chemischen Screenings am CeMM, der Österreichischen Plattform für Chemische Biologie (PLACEBO) und des Christian Doppler Labors für Chemische Epigenetik und Antiinfektiva. Stefan Kubicek hat 2017 den Heribert-Konzett-Award der Österreichischen Pharmakologischen Gesellschaft erhalten.

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.at

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Mag. Wolfgang Däuble
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