Vogelgrippe: Wirtswechsel mit kleinstmöglichem Aufwand
„Das Influenza-A-Virus führt weltweit immer wieder zu Grippeausbrüchen, indem es sich aus einem anscheinend unbegrenzten Vorrat neuer Varianten bei Geflügel erneuert“, erläutert der Marburger Hochschullehrer Friedemann Weber, Mitverfasser der Studie.
Wie schafft es das Vogelgrippevirus, auf Säugetiere überzuspringen? Der Antwort auf diese Frage sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt ein Stück näher gekommen. Sie untersuchten, wie das Virus mit einem Molekül der Wirtszelle interagiert, das für die Abwehr einer Infektion verantwortlich ist.
Das Enzym RIG-I sorgt in der Zelle von Säugetieren dafür, dass das Erbmaterial von eingedrungenen Viren erkannt wird. „Unsere neuen Daten zeigen, dass schon die Bindung von RIG-I an das Virus dessen Vermehrung hemmen kann“, erklärt Weber.
Hühnern fehlt das Abwehrenzym RIG-I. Damit Grippeerreger von ihnen auf Säugetiere überspringen können, muss das Virus mit RIG-I zurande kommen, das im neuen Wirt vorliegt. Die Autorinnen und Autoren zeigen, dass hierbei das Virus-Enzym Polymerase von Bedeutung ist. Vogelgrippeviren unterscheiden sich in einem einzigen Baustein ihrer Polymerase von Viren, die sich in Säugern vermehren können – an Position 627 befindet sich Glutaminsäure statt Lysin.
Hängt dieser Austausch mit dem Abwehrenzym RIG-I zusammen? Das Team infizierte Zellen mit Viren verschiedenen Typs und maß die Aktivität von RIG-I. Das Ergebnis: RIG-I reagiert auf Vogelgrippeviren viel stärker als auf Grippeviren, deren Polymerase an den Säugerorganismus angepasst ist. Offenbar bewirkt die Mutation von Glutaminsäure zu Lysin, dass die Polymerase das virale Erbmaterial besser abschirmt, so dass dieses nicht für einen Angriff durch RIG-I zugänglich ist.
„Unsere Befunde weisen darauf hin, dass diese Mutation eine Gegenstrategie ist, um das virale Erbmaterial vor RIG-I zu verstecken“, fasst Weber zusammen. Die Ergebnisse lassen sich möglicherweise dereinst nutzen, um neuartige Wirkstoffe gegen Virusinfektionen zu entwickeln, hoffen die Autoren.
An der Veröffentlichung sind neben Weber und seinen Mitarbeiterinnen auch die Arbeitsgruppen von Professor Dr. Hans-Dieter Klenk aus der Virologie und von Professor Dr. Ralf Jacob aus der Zellbiologie der Philipps-Universität sowie weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Freiburg und Bonn sowie der „Icahn School of Medicine at Mount Sinai” in New York beteiligt.
Die Arbeit der beteiligten Forscherinnen und Forscher wurde unter anderem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die „Leibniz Graduate School EIDIS“ der Leibniz-Gemeinschaft, die Europäische Kommission, das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) und das Bundesforschungsministerium finanziell gefördert.
Originalveröffentlichung: Michaela Weber & al.: Influenza virus adaptation PB2-627K modulates nucleocapsid inhibition by the pathogen sensor RIG-I, Cell host & microbe 2015, DOI: 10.1016/j.chom.2015.01.005
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Friedemann Weber,
Institut für Virologie
Tel.: 06421 28-24525
E-Mail: friedemann.weber@staff.uni-marburg.de
Internet: http://www.uni-marburg.de/fb20/virologie/forschung/ag-weber
Pressemitteilung zu RIG-I: http://www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2013a/0318a
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit
Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.
Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.
Neueste Beiträge
Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation
Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…
Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus
Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…
Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit
Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…