UKE-Forscher klären Ursache einer gefährlichen Schwellungserkrankung auf

„Wahrscheinlich haben wir sogar ein generelles Prinzip entdeckt, mit dem man Ödeme behandeln kann; auch solche, die als Folge von Allergien oder unfallbedingten Verletzungen wie einem Schädel-Hirn-Trauma entstehen”, sagt Prof. Dr. Dr. Thomas Renné, Leiter des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Das von Prof. Renné geleitete internationale Forscherteam gewann seine Erkenntnisse an einer seltenen Form einer erblichen Schwellungserkrankung, dem Hereditären Angioödem Typ 3.

Wie die Wissenschaftler jetzt in der August-Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Clinical Investigation berichten, konnten sie in Modellen den molekularen Mechanismus der Krankheit aufklären.

„Wir haben herausgefunden, dass die Krankheit die Folge einer Punktmutation in einem Gen für ein Eiweiß der Blutgerinnung, den Faktor XII, ist”, sagt Prof. Renné. Dadurch fehle diesem Protein an einer einzigen Stelle ein wichtiger Baustein: die Aminosäure Threonin. Diese ist jedoch der Anheftungspunkt für eine Zuckerstruktur (Glykan), welche normalerweise die Oberfläche des Blutgerinnungsfaktors bedeckt.

Weil sich das Glykan nicht mit dem Protein verbinden kann, ändere sich die gesamte Molekülstruktur des Faktors. „Dadurch ist der mutierte Faktor hundert- bis tausendfach leichter aktivierbar als normalerweise.” Die Folge: Bradykinin, das Hormon, das die zur Entstehung einer Schwellung notwendigen Abläufe einleitet, wird im Übermaß gebildet.

Gerinnungsfaktor weist Weg zur Therapie

Die Entdeckung, dass Hereditäre Angioödeme vom Typ 3 Folge des fehlerhaften Gerinnungsfaktors XII sind, öffnet nach Ansicht von Prof. Renné die Tür für eine mögliche neue Therapie: Bereits im vergangenen Jahr hatte eine von ihm geleitete Arbeitsgruppe zeigen können, dass der Faktor XII entscheidend an der Bildung von Blutgerinnseln (Thrombosen) beteiligt ist.

Die Wissenschaftler konnten mit dem „3F7“ bezeichneten Antikörper auch erstmals einen Wirkstoff herstellen, der den Gerinnungsfaktor XII blockiert und so Blutgerinnsel verhindert, ohne dabei die Blutungsneigung zu erhöhen. „Und nun zeigte sich: Mit derselben Therapie kann man zukünftig auch Hereditäre Angioödeme und möglicherweise andere Schwellungserkrankungen behandeln”, so der UKE-Forscher. Eine erste klinische Prüfung dieses neuen Therapieprinzips ist innerhalb der nächsten zwei Jahre geplant.

Die von Prof. Renné koordinierten Wissenschaftler arbeiten an Universitäten und Forschungseinrichtungen in Heidelberg, Dortmund, Bonn, Stockholm (Schweden), Utrecht (Niederlande), Grenoble (Frankreich) und Melbourne (Australien). Beteiligt an der Entwicklung war auch ein Pharmaunternehmen in Marburg.

Literatur:
Jenny Björkqvist, Steven de Maat, Urs Lewandrowski, Antonio Di Gennaro, Chris Oschatz, Kai Schönig, Markus M. Nöthen, Christian Drouet, Hal Braley, Marc W. Nolte, Albert Sickmann, Con Panousis, Coen Maas, Thomas Renné. Defective glycosylation of coagulation factor XII underlies hereditary angioedema type III. J Clin Invest. 2015;125(8). doi:10.1172/JCI77139

Kontakt:
Prof. Dr. Dr. Thomas Renné
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistr. 52
20246 Hamburg
Telefon: (040) 7410-58984
E-Mail: t.renne@uke.de

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