Subjektive Vergesslichkeit als Anzeichen für Alzheimer

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Universitätsklinikums Bonn und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn konnten erstmals nachweisen, dass schon bei nur subjektiv empfundenen Gedächtnisverschlechterungen Veränderungen in einer bestimmten Gehirnstruktur sichtbar sein können.

Die Studie, publiziert in der aktuellen Ausgabe der Archives of General Psychiatry vom 1. August, stützt das Modell, dass die subjektive Gedächtnisstörung die erste Manifestation einer Alzheimer-Erkrankung sein kann. Zwar entwickelt nicht jede Person mit subjektiven Gedächtnisstörungen eine Alzheimer-Erkrankung, aber fast jeder Patient mit Alzheimer entwickelt zunächst subjektive Gedächtnisstörungen, die sich bis jetzt nicht objektivieren ließen.

Die Alzheimer-Erkrankung ist die häufigste Ursache der Demenz. Der Schlüssel zur Demenz-Prävention liegt in einer möglichst frühen Diagnose. Seit einigen Jahren ist gesichert, dass bei Personen, die bereits eine leichte objektive Gedächtnisstörung aufweisen, eine beginnende Alzheimer-Erkrankung mittels bildgebender Verfahren und Liquoruntersuchungen feststellbar ist. Noch besser wäre es jedoch, Hinweise auf eine solche Erkrankung in einem noch früheren Stadium festzustellen. Forscherinnen und Forscher aus Bonn und Berlin haben nun einen wichtigen Schritt auf diesem Weg getan: Sie fanden Hinweise auf Hirnfunktionsstörungen schon bei Personen, die lediglich eine subjektive Verschlechterung des Gedächtnisses spüren, ohne dass Minderleistungen in objektiven Verhaltensuntersuchungen schon nachweisbar wären.

Die Gruppe um Professor Frank Jessen (Bonn), Privatdozentin Susanne Erk und Professor Henrik Walter (beide Charité) konnte mittels funktioneller Kernspintomographie zeigen, dass ältere Personen mit subjektiven Gedächtnisstörungen bereits eine funktionelle Störung im Bereich des Hippokampus aufweisen. Der Hippokampus ist eine Hirnstruktur, die unter anderem für die Gedächtnisbildung zuständig und die bei der Alzheimer-Erkrankung zuerst betroffen ist. Personen mit subjektiven Gedächtnisstörungen zeigten im Experiment eine verminderte Aktivierung des Hippokampus während einer Gedächtnisaufgabe. Gleichzeitig kam es zu einer vermehrten Aktivierung des rechten Frontalhirns.

„Diese frontale Mehraktivierung hat vermutlichen kompensatorischen Charakter“ so Prof. Walter, Leiter des Forschungsbereich Mind and Brain an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité. „Sie gleicht das hippokampale Defizit aus, was erklären kann, warum in den Gedächtnistests dieser Gruppe die Leistung nicht schlechter war als in einer altersgleichen Kontrollgruppe ohne subjektive Gedächtnisstörungen“. Prof. Frank Jessen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Bonn, sieht für die Zukunft auch eine mögliche klinische Relevanz: „Zumindest sind wir damit unserem Ziel nähergekommen, in Zukunft die bis jetzt rein klinische Frühdiagnostik subjektiver Gedächtnisstörungen bei Verdacht auf Alzheimer-Demenz durch nichtinvasive objektive Hirnuntersuchungen zu unterstützen“.

*Originalpublikation: Susanne Erk, Annika Spottke, Alice Meisen, Michael Wagner, Henrik Walter, Frank Jessen. Evidence of Neuronal Compensation During Episodic Memory in Subjective Memory Impairment. Arch Gen Psychiatry. 2011;68(8):845-852.

Kontakt:
Prof. Henrik Walter
Leiter des Forschungsbereichs „Mind and Brain“
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Campus Charité Mitte
t: +49 30 450 517 141
henrik.walter@charite.de

Media Contact

Dr. Julia Biederlack idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer