Smarte Schlafanalyse: Mithilfe von Smartwatches analysieren Forscher Bewegungsmuster im Schlaf

Dank einer eigens entwickelten Software lässt sich diese Smartwatch für die Schlafanalyse nutzen. Eine Hilfe für alle, die unter Schlafstörungen leiden.<br>© Fraunhofer IGD<br>

Wieder eine durchwachte Nacht: Unzählige Menschen finden keinen Schlaf. Stundenlang wälzen sie sich in ihren Betten hin und her. Wenn sie endlich doch einschlafen, schrecken sie wenig später wieder hoch. Werden die Störungen chronisch, nehmen Betroffene oftmals an medizinischen Schlafstudien teil, um den Ursachen für ihre Schlafprobleme auf die Spur zu kommen. Bislang werden für diese Studien speziell entwickelte und sehr teure intelligente Spezialuhren eingesetzt. Ärzte lesen die aufgezeichneten Daten nur wöchentlich im Forschungslabor aus, was eine Analyse verlangsamt.

Forscher vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD haben jetzt eine Software für handelsübliche Smartwatches entwickelt, die den Einsatz solcher Uhren in der Schlafforschung ermöglicht. »Eine Smartwatch kann vieles was wir vom Smartphone her kennen. Sie informiert über die aktuelle Uhrzeit, die neuesten SMS, E-Mails oder Aktivitäten in sozialen Netzwerken, aber sie leistet noch viel mehr. Für die Schlafforschung bieten diese mit Beschleunigungssensoren ausgestatteten Kleinstcomputer viele Möglichkeiten«, sagt Gerald Bieber, Wissenschaftler am Fraunhofer IGD.

Der von Bieber und seinem Team entwickelte Algorithmus zur Schlaferkennung hilft, Anomalien im Schlaf zeitnah zu erkennen. Dazu werden Informationen wie Bettzeiten, Länge und Qualität des Schlafs aus den Sensordaten der Uhr abgeleitet und analysiert. »Unser Algorithmus erkennt Bewegungen und vergleicht diese mit bereits bekannten Schlaf- und Wachmustern. Dabei werden sowohl durch Atmen oder den Pulsschlag ausgelöste Mikrobewegungen als auch Makrobewegungen wie Zucken der Beine registriert.« Die aufgezeichneten Daten können Patienten von zu Hause aus über das Funkmodul der Smartwatch direkt an das Labor senden.

Burnout durch chronischen Schlafmangel

»Für den behandelnden Arzt ist ein solches digitales Schlaftagebuch ein wichtiges Mittel zur Diagnose von Schlafstörungen und für die Wahl der richtigen Therapie«, erklärt Bieber. »Die Schlafqualität gibt wichtige Hinweise auf Burnout.« Nicht Stress, sondern chronischer Schlafmangel ist Studien zufolge der eigentliche Burnout-Verursacher. Gründe für Einschlafbeschwerden, Schlafunterbrechungen oder nicht erholsamen Schlaf gibt es viele: Nebenwirkungen von Medikamenten, tagsüber zu wenig Bewegung oder schlicht und einfach die falsche Matratze.

Künftig wollen Bieber und seine Kollegen auch Bewusstlosigkeit im Schlaf erkennen. Davon sind Diabetiker oder Epileptiker betroffen. Diabetes-Typ-1-Patienten geraten nachts nicht selten in den Zustand der Unterzuckerung, der in ein lebensbedrohliches Zuckerkoma münden kann. Die Smartwatch mit der installierten Software würde in dieser Situation einen Alarm auslösen und Familienangehörige oder den behandelnden Arzt informieren. Derzeit sind die Forscher im Gespräch mit Krankenhäusern, um schon bald Testdaten von Komapatienten und somit reale Vergleichsdaten als Muster zu erhalten.

Aktuell wird die Smartwatch mit der Fraunhofer-Software in einer Pilotstudie eingesetzt. Gemeinsam mit dem Kurzentrum Vital & Physio und dem Matratzenwerk Malie untersuchen die Wissenschaftler das Schlafverhalten von Probanden auf rückenfreundlichen Matratzen. Im Fokus steht die Frage, ob die »richtige« Matratze bei Schlafstörungen helfen und für entspannte Nächte sorgen kann. Die erworbenen Kenntnisse zum Aktivitäts- und Schlafverhalten des Menschen können etwa bei der Stress- oder Burnout-Bekämpfung hilfreich sein. Das Fraunhofer IGD übernimmt innerhalb der Studie die Technologieentwicklung und -anpassung.

Im Schlaf Strom sparen

Aber nicht nur Menschen mit Schlafstörungen profitieren von der Smartwatch-App – Mietern und Hausbesitzern bietet sie sogar die Möglichkeit, Strom zu sparen. »Elf Prozent des Energieverbrauchs wird durch Stand-by-Geräte ausgelöst. Da unser sensibler Algorithmus erkennt, ob der Uhrenträger etwa beim Fernsehen auf der Couch einschläft, könnte die Smartwatch per Funk das TV-Gerät automatisch ausschalten. Moderne Fernseher sind bereits heute entsprechend ausgestattet, mit speziellen Netzwerksteckdosen lassen sich aber auch ältere Modelle nachrüsten«, sagt der Ingenieur. Auch Geräte wie Alarmanlagen, WLAN-Router oder Lampen lassen sich in Zukunft so ausschalten.

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Gerald Bieber Fraunhofer Forschung Kompakt

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