Ein Molekül im Rückwärtsgang

Forschern der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es erstmals gelungen, einen Vorgang, der sich auf winzigem Raum im Zellinneren abspielt, am Computer zu verfolgen. Die Gruppe unter Führung von Prof. Christian Spahn vom Institut für medizinische Physik und Biophysik am Campus Charité Mitte bannte die Arbeit des so genannten Elongationsfaktors LepA aufs Bild.

In einem gestern vorab online veröffentlichten Artikel der Zeitschrift Nature Structural & Molecular Biology* schildern die Wissenschaftler, wie ihnen mit Hilfe eines Elektronenmikroskops der Blick auf eine komplexe, zelluläre Maschine gelang.

LepA ist ein Reparaturwerkzeug der Zelle, das während der so genannten Translation zum Einsatz kommen kann. Bei diesem Vorgang „liest“ die Zelle die Erbinformationen auf der DNA und produziert entsprechende Eiweiße. Dafür gibt es eine spezielle Maschinerie, das Ribosom. Es tastet das fadenförmige Trägermolekül der Erbinformation Schritt für Schritt ab und wählt die passende Aminosäure für den Aufbau eines Proteins aus. Bei diesem Prozess können Fehler auftreten. Vor zwei Jahren entdeckte der Berliner Forscher Prof. Knud Nierhaus vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik den Elongationsfaktor LepA, der dann in Aktion tritt. Er sorgt dafür, dass die Erbinformation an der fehlerhaften Stelle ins Ribosom zurücktransportiert und der Produktionsvorgang wiederholt wird.

Prof. Nierhaus war an der nun publizierten Arbeit ebenfalls beteiligt. Sie entstand im Rahmen des Berliner Ultra-Struktur-Netzwerks, das sich der Erforschung großer molekularer Einheiten widmet. Die Wissenschaftler froren einen ribosomalen Komplex mit LepA ein und fotografierten ihn anschließend aus vielen verschiedenen Winkeln unter einem hoch modernen Elektronenmikroskop. Aus den Bildern entstand im Computer ein dreidimensonales Modell von LepA am Ribosom. Damit konnten die Forscher erstmals genau nachvollziehen, auf welche Weise der Elongationsfaktor veranlasst, dass im Ribosom der Rückwärtsgang eingelegt wird.

„Wir betreiben hier noch reine Grundlagenforschung“, erklärt Prof. Spahn. „Doch 70 Prozent der natürlich vorkommenden Antibiotika wirken, in dem sie die Proteinproduktion in der Zelle stoppen. „Deswegen kann das Verständnis der Funktion von LepA und des Reparaturvorgangs insgesamt künftig vielleicht dabei helfen, neue Antibiotika zu entwickeln.“

* Connell S., Nierhaus K., Spahn C. et.al.: A new tRNA intermediate revealed on the ribosome during EF4-mediated back-translocation, in: Nature Structural & Molecular Biology, www.nature.com/nsmb/journal/vaop/ncurrent/full/nsmb.1469.html

Prof. Christian Spahn, Institut für Medizinische Physik und Biophysik, Charité –
Universitätsmedizin Berlin
Tel.: 030 – 450 524 131
christian.spahn@charite.de

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Kerstin Endele idw

Weitere Informationen:

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