Intelligenter Faden für die Knopfloch-Chirurgie

Forscher der RWTH Aachen entwickelt chirurgischen Faden,
der sich selbst verknotet und gewebeverträglich auflöst.

Knopfloch-Chirurgie ist die sanfte Operationsmethode der Zukunft: Durch winzige Schnitte führt der Arzt chirurgische Mini-Instrumente in den Körper ein und überwacht den Eingriff mit einem Endoskop. Dies schont die Patienten und hinterlässt kaum Narben. Allerdings ist es für den Arzt äußerst knifflig, in dem engen Operationsfeld komplexe Bewegungen auszuführen, wie etwa die Wunde im Körperinneren fachgerecht zu vernähen. Doch jetzt haben Wissenschaftler aus einem Kunststoff mit Formgedächtnis einen chirurgischen Faden erschaffen, der sich selbst verknotet und sich sogar gewebeverträglich auflöst, während die Wunde verheilt. Die sensationellen Ergebnisse präsentierten Andreas Lendlein vom Institut für Technische und Makromolekulare Chemie der RWTH Aachen und sein Kollege Robert Langer vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA, soeben im Wissenschaftsjournal Science.

Lendlein und Langer erregten bereits voriges Jahr Aufsehen mit einem Kunststoff, der selbst nach einer starken mechanischen Verformung zu seiner ursprünglichen Gestalt zurückkehrt, sobald er auf 65 Grad Celsius erhitzt wird. Jetzt haben die Forscher eine weitere Gruppe von Kunststoffen mit Formgedächtnis entwickelt und daraus ein intelligentes Fadenmaterial gewonnen, das sich schon bei 40 Grad Celsius an seine Originalform „erinnert“.
Wird das Material im kühlen Zustand gestreckt, zu einem lockeren Knoten geknüpft und danach erwärmt, verkürzt es sich binnen 20 Sekunden auf die Anfangslänge und zieht den Knoten zu. Durch das Ausmaß der vorherigen Streckung lässt sich nun exakt kontrollieren, wie fest der Knoten wird. Bislang erforderte dies vom Chirurgen höchstes Fingerspitzengefühl. Denn geraten die Knoten zu fest, stirbt das umliegende Gewebe ab. Sitzen sie hingegen zu locker, bricht die Wunde leicht wieder auf oder vernarbt stärker. Künftig könnte der Arzt winzige Wunden zunächst locker zusammennähen und dann durch eine kurze Erwärmung mit optimaler Festigkeit verschließen. Aber auch künstliche Gefäßstützen, so genannte Stents, ließen sich aus dem Kunststoff erzeugen. Eine vorübergehende Temperaturerhöhung genügt, und ein gestreckter Faden verwandelt sich in ein korkenzieherartiges Gebilde – ideal, um Blutgefäße offen zu halten.

Und der intelligente Faden aus Aachen bietet für die Knopfloch-Chirurgie noch einen weiteren unschätzbaren Vorteil: Er löst sich während der Heilung ohne Gewebebeeinträchtigung restlos auf. Dies konnte das Forscher-Duo aus der RWTH und dem MIT in medizinischen Standardtests an Hühnerembryonen und Zellkulturen zeigen. Derzeit laufen bereits die ersten vorklinischen Studien. Die Markteinführung des zukunftsträchtigen Nahtmaterials wollen Lendlein und Langer mit Hilfe einer gemeinsamen Firma in Aachen nun weiter vorantreiben.

i.A. Thomas Früh

Nähere Informationen:
Dr. Andreas Lendlein
MnemoScience GmbH, Pauwelsstr. 19, 52074 Aachen
Fon: +49 241 963 2250
Mail: a.lendlein@mnemoscience.de

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Thomas von Salzen idw

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