Hochspannung kann Lebensrettung gefährden

Innsbrucker Wissenschaftler entdecken ein Sicherheitsrisiko bei Defibrillatoren

Aufmerksamen Beobachtern ist es sicher aufgefallen: Immer häufiger sieht man an öffentlichen Orten wie Flughäfen oder bei Rettungssanitätern auf Großveranstaltungen Automatische Externe Defibrillatoren (AED), die inzwischen als Therapiemittel gegen den plötzlichen Herztod durch Kammerflimmern zur Grundausstattung für Ersthelfer gehört. Grund dafür ist eine weltweite Kampagne, die die Verbreitung von AEDs forciert und zur sogenannten Frühdefibrillation öffentlich zugänglich macht, denn aus wissenschaftlichen Studien weiß man, dass sich die Überlebenschancen des Patienten deutlich erhöhen, wenn eine Defibrillation möglichst früh stattfindet. Ein Forscherteam bestehend aus Wissenschaftlern der Universitätsklinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin und Fachleuten des Roten Kreuzes, Freiwillige Rettung Innsbruck haben nun herausgefunden, dass diese Defibrillatoren in der Nähe von Hochspannungsleitungen der Bahn gefährlich gestört werden und dadurch zum Risiko für den Patienten werden können.

Wenn ein AED bei einem Patienten mit Verdacht auf Herzkreislaufstillstand angebracht wird, kann das Gerät automatisch den Herzrhythmus analysieren und bei Bedarf (Kammerflimmern) dem Ersthelfer empfehlen einen lebensrettenden Stromstoss abzugeben. Die Geräte sind inzwischen so konzipiert, dass sie auch von Laien eingesetzt werden können. Dabei ist die korrekte externe Herz-Rhythmusanalyse der wichtigste Grundbaustein dieses Verfahrens, und die Autoren der Studie, Christoph Schlimp, Martin Breiteneder und Wolfgang Lederer, haben sich daher die Frage gestellt, ob die geforderten Sicherheitsstandards für Analysealgorithmen entsprechend den Europäischen Normen (EN 1441), die eine Abschirmung und Risikoüberprüfung gegenüber elektromagnetischen Störfeldern fordern, auch in der Nähe von Hochspannungsleitungen erfüllt sind. Dies gilt speziell für die Verwendung von AEDs durch Laien im Rahmen der Public Access Defibrillation (PAD).

Bahnoberleitungen als Störquellen

Dazu haben die Wissenschaftler zwei häufig in Tirol verwendete AED-Modelle unter den Störeinflüssen von Hochspannungsleitungen mit 15.000 V (ÖBB-Oberleitung) und 110.000 V (ÖBB-Überlandleitung) getestet. Die Ergebnisse zeigten, dass die Herzrhythmusdiagnose im elektromagnetischen Störfeld einer Hochspannungsleitung mit 16,7 Hz Wechselstrom, wie bei der Bahn im Einsatz, empfindlich gestört wird und dadurch die Anwendung von AEDs zu gefährlichen Fehlfunktionen führt. So konnte gezeigt werden, dass unter ungünstigen Umständen die 16,7 Hz Interferenz im EKG entweder fälschlich als Bewegungsartefakt oder direkt als Kammerflimmern interpretiert werden kann. Dies ist insofern relevant, als eine durch etwaige Artefakte verzögerte Defibrillation bei Kammerflimmern mit einer sinkenden Überlebenswahrscheinlichkeit von 7-10% pro Minute einhergeht. Andererseits kann eine durch falsche Rhythmusanalyse veranlasste Defibrillation (z.B.: bei Asystolie) zu einer unnotwendigen Schädigung des Herzens führen und damit die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Reanimation weiter vermindern. Darüber hinaus kann bei Patienten mit nicht erkanntem, normalem Herzrhythmus, durch falsch indizierte Defibrillation ein akutes Kammerflimmern mit möglichen Todesfolgen ausgelöst werden.

Handlungsbedarf gegeben Die Autoren schließen aus den Ergebnissen der Untersuchung, dass Fehlfunktionen von AEDs in der Nähe von elektromagnetischen Störquellen unbedingt vermieden werden müssen und speziell für den Einsatz im Bahnreiseverkehr (Hochspannung mit 16,7 Hz Wechselstrom wird im Bahnnetz von Deutschland, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz verwendet) sicherer gemacht werden müssen. Weitere Informationen: Dr. Wolfgang Lederer, Dr. Christoph Schlimp Universitätsklinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin Tel.: 0512 ­ 504-80412

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Dr. Wolfgang Lederer Universität Innsbruck

Weitere Informationen:

http://www.i-med.ac.at

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