Alles unter Kontrolle in Mikrosystemen

Unterstützt werden die Wissenschaftler dabei unter anderen von den Firmen Infineon und Zeiss sowie den europaweit führenden Instituten CEA-LETI in Grenoble und CNES in Toulouse. Für dieses Projekt stellen das deutsche und das französische Forschungsministerium 4 Millionen Euro zur Verfügung.

Halle – Fehler sind bei der Entwicklung hochkomplexer mikroelektronischer Bauteile kaum zu vermeiden. Sie möglichst früh aufzuspüren und ihre Ursache bereits im Fertigungsprozess zu analysieren, ist bares Geld wert. Deshalb beschäftigen sich Wissenschaftler des Fraunhofer IWM in Halle schon seit Anfang der 90er Jahre mit diesen Fragen. Ein neues, internationales Projekt führt sie dabei nun einen Schritt weiter. Im Rahmen von „Full Control“ entwickeln sie in den kommenden drei Jahren Untersuchungsverfahren weiter, mit denen man Schwachstellen in komplexen Systemen der Mikro- und Nanoelektronik schnell und effektiv auf die Spur kommt.

Per Handy das aktuelle Fernsehprogramm genießen? Oder einen Song aus dem Internet herunterladen? Dem Handy der Zukunft sind kaum Grenzen gesetzt. Es ist bereits jetzt auf dem besten Weg, sich zum intelligenten persönlichen Assistenten seines Besitzers zu mausern, der viele Funktionen auf immer kleinerem Raum in sich vereint. Dabei geht der Trend in der Herstellung dazu, in einem Gehäuse nicht mehr nur einzelne Mikrochips sondern ganze Systeme dieser Bauteile (so genannte System-in-Package-Lösungen) unterzubringen. Doch damit solche hochkomplexen Systeme auch noch zuverlässig funktionieren, braucht es Verfahren, mit denen man bereits im Fertigungsprozess Fehler aufspüren und analysieren kann. „Diese Prozesskette ist es, die uns besonders interessiert“, sagt Prof. Matthias Petzold, Leiter des Leistungsbereichs Diagnose und Bewertung von Mikrosystemen am Fraunhofer IWM in Halle, der das Full-Control-Projekt wesentlich mit initiiert hat.

Der Grund: Bei komplexen Chip-Systemen ist die Fehleranalyse grundsätzlich schwieriger als bei einzelnen Chips. Einerseits bergen sie ohnehin eine höhere Zahl möglicher Fehlerquellen, andererseits ist deren Lokalisierung schwieriger. Dennoch setzen die Hersteller zunehmend auf diese Chip-Systeme, weil man bei Einzelchips an seine Grenzen stößt. „Sie noch kleiner und komplizierter zu machen, geht irgendwann nicht mehr“, so Prof. Petzold.

Weil die Entwicklung hin zu immer komplexeren Mikrosystemen auch stärkere Anforderungen an die Mess- und Prüftechnik stellt, sollen im Rahmen von „Full Control“ nun neue Lösungen gefunden werden, um die Gerätetechnik besser anzupassen. Einer der verfolgten Ansatzpunkte ist dabei die Anwendung neuer Lasertechnik-Verfahren, die in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des CNES-Instituts in Toulouse entwickelt werden. Damit könnten die Wissenschaftler dann im Handumdrehen in tiefere Regionen eines fehlerhaften Mikrochip-Systems vordringen. Wie das funktioniert? Per Laserstrahl wird ein schneller Zugang zu den zu untersuchenden Stellen im Werkstoff geschaffen. Erst danach wird der Weg frei für ein präzises und empfindliches Verfahren, mit dem man an der eigentlichen Fehlerquelle arbeiten kann: Die fokussierende Ionenstrahltechnik, kurz FIB, genannt.

Diese Technik steht den Wissenschaftlern in Halle seit 1996 zur Verfügung. „Sie funktioniert wie ein winziges Skalpell, quasi ein Nanoskalpell“, erklärt Frank Altmann, Leiter des Leistungsbereiches Halbleiterdiagnostik, der am Fraunhofer IWM für die Entwicklung von Analysetechniken verantwortlich ist. Damit kann man im Untersuchungsmaterial hauchdünne Schnitte mit extremer Präzision ausführen. Die Ionen strahlen auf das Material auf und schlagen so die Atome des Werkstoffes heraus. Der Bereich, der so mit dem Ionenstrahl abgetragen wird, ist etwa so groß wie das Zehntausendstel eines Haardurchmessers.

Die jahrelangen Erfahrungen führen nun dazu, dass die Firma Zeiss aus Oberkochen zeitgleich mit dem Projektbeginn am Institutsstandort in Halle eine neue, mehr als eine Million Euro teure Ionenstrahlanlage installiert. „Es wird die derzeit weltweit leistungsfähigste Anlage dieser Art sein“, so Altmann. „Innerhalb einer Kooperation wollen wir das Arbeiten mit der FIB für die Fehleranalyse in der Mikroelektronik erproben und weiterentwickeln“.

Am Ende des Full-Control-Projekts sollen leistungsfähige Untersuchungsverfahren im Bereich der Diagnostik und Messtechnik zur Verfügung stehen. Prof. Petzold: „Das ist noch immer einer der traditionellen Märkte, auf dem deutsche Unternehmen weltweit führend sind. Mit unserem Projekt wollen wir auch dazu beitragen, diese Position zu sichern und zu stärken.“

Media Contact

Thomas Götz idw

Weitere Informationen:

http://www.iwm.fraunhofer.de/

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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