Bohrwerke bewältigen die dicksten Brocken

Ludwig XIV. gilt als Gründervater der Dillinger Hüttenwerke. 1685 erteilte er eine Genehmigung für den Bau einer Eisenhütte vor den Toren der damals französischen Festung Saarlouis. Sie ist heute eine der ältesten Aktiengesellschaften Deutschlands und zählt derzeit 5200 Mitarbeiter. Der Stahl aus dem Saarland findet sich unter anderem in der Queen Mary 2, im Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens oder auch im Olympiastadion Athen wieder.

Anwendungsfälle für ein Bohrwerk gibt es in der Hüttenwerks-Umgebung reichlich. In den Zentralen Werkstätten in Dillingen wird ein vielfältiges Spektrum an Ersatz- und Reserveteilen sowie Betriebsmitteln neu gefertigt oder für eine Wiederverwendung aufbereitet. Hierzu zählen unter anderem Heißwindschieber für die Hochöfen, Kokillenplatten für die Stranggießanlagen, Elektromotore, Komponenten für Bahnfahrzeuge und für Krananlagen.

Bis vor einigen Monaten verwendete die Instandhaltung ein konventionelles Bohrwerk vom Typ Union BFP 160, das den aktuellen Erfordernissen an Verfügbarkeit und Präzision nicht mehr voll genügte. Deshalb entschied sich das Team um Dr.-Ing. Hubert Barth, Betriebschef Zentrale Werkstätten und Lagerwirtschaft, für die Neuanschaffung eines CNC-gesteuerten Horizontal-Bohr- und Fräswerks, mit dem die Großteilbearbeitung optimiert, die Bearbeitungsgenauigkeit erhöht, Durchlauf- und Rüstzeiten verkürzt und die Flexibilität für alle anfallenden Arbeiten vergrößert werden sollte.

Die Wahl der Dillinger Hütte fiel auf ein Bohrwerk von Pama, eine Speedram 2000 mit Verfahrwegen von 9000 mm × 3500 mm × 1200 mm und einer Antriebsleistung von 60 kW. Die 160-mm-Spindel, zugleich W-Achse, kann um 1000 mm und der Arbeitstisch (V-Achse) um 1500 mm verstellt werden.

Bohrwerk bietet Dreh-Verschiebetisch mit Belastbarkeit von 25t

Durch die Kombination eines Plattenfeldes mit einem daneben angeordneten Dreh-Verschiebetisch können die Instandhalter flexibel zwischen vorausplanbarer Arbeit und kurzfristigen Arbeiten zur Behebung von Anlagenstörungen wechseln. Der Dreh-Verschiebetisch mit einer Belastbarkeit von 25 t kommt dabei schwerpunktmäßig für die planbaren Arbeiten, das Plattenfeld mit den Abmessungen von 5000 mm × 3000 mm und einer Belastbarkeit von 15 t/m2 bei den außerplanmäßigen Tätigkeiten zum Einsatz.

Angeschafft wurden auch zwei zusätzliche Bearbeitungsköpfe, mit denen vielfältige Bearbeitungsaufgaben abgedeckt werden können. Ein Winkelfräskopf wird für Bearbeitungen im rechten Winkel zu Spindelachse und Tragbalken verwendet. Der Universalfräskopf ist für Bearbeitungen in beliebigen Raumlagen gedacht, was gerade bei der Aufbereitung und Nachbearbeitung von Altbauteilen von Vorteil ist, bei denen flexibel auf die vorhandene Werkstückgeometrie reagiert werden muss. Ein CNC-Planschieber dient zum Ausspindeln und zur Konturbearbeitung großer Bohrungen.

Bohrwerk kann großes Spektrum von Bearbeitungen abdecken

Mit dieser Ausstattung können die Instandhalter der Dillinger Hütte das große Spektrum anfallender Bearbeitungen abdecken. „Für uns ist Flexibilität besonders wichtig, weil viele Bauteile individuell sind“, erläutert Werkstättenchef Barth. Zudem müsse für die Betriebssicherheit und Verfügbarkeit der Werksanlagen eine schnelle Reaktionsfähigkeit gewährleistet sein. „Diese Ziele haben wir mit der Maschine zu 100% erreicht.“

Ein anderer wichtiger Aspekt war die Genauigkeit. In diesem Punkt haben sich die hydrostatischen Führungen der Speedram 2000 im Praxiseinsatz ebenfalls bestens bewährt. Bei der Maschine kommt ein voll umschlossen geführter Tragbalken zum Einsatz, der die Verformung des Balkens auf ein Minimum reduziert. Eine geometrische und thermische Kompensation sorgt dafür, dass die Durchbiegung des Tragbalkens, die Kippung des Spindelstocks und die Neigung des Ständers bei jeder Belastung minimiert wird.

Temperiertes Öl für die thermische Kompensation im Bohrwerk

Die thermische Kompensation geschieht durch die Wärmeanpassung von Bauteilen wie Lagern und Spindel durch entsprechend temperiertes Öl. Außerdem werden Materialien mit verschiedenen Wärmeausdehnungskoeffizienten verwendet. Die Ist-Temperatur sowie die Relativbewegung werden an den relevanten Stellen gemessen und die Temperaturunterschiede werden elektronisch kompensiert.

Abgerundet wird die Installation durch ein Sicherheitskonzept, das von der Berufsgenossenschaft abgenommen wurde. Dieses berücksichtigt einerseits eine gute Zugänglichkeit zur Maschine, gute Einsehbarkeit und Überwachungsmöglichkeit des Zerspanungsprozesses und gewährleistet andererseits ein minimiertes Unfallrisiko – vor allem durch einen vorne und seitlich abgeschlossenen Schutzzaun sowie einen Durchgang auf der Maschinenrückseite, der durch ein dreifaches Seilgeländer mit zusätzlicher Lichtschranke abgesichert ist.

Die Speedram 2000 läuft seit über einem Jahr in dreischichtigem Betrieb. Bereits zwei Monate nach der Inbetriebnahme konnte die fünfköpfige Bedienmannschaft um Bereichsleiter Peter Mellinger in den Vollbetrieb des neuen Bohrwerks übergehen.

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Frank Fladerer MM MaschinenMarkt

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