Schmelzwasser von tibetischen Gletschern überflutet Weiden

Schrumpfender Gletscher im Südwesten Tibets.<br>Foto: Niklas Neckel, Universität Tübingen <br>

In Tibet bleibt gemäss Messungen eines internationalen Forscherteams mit Beteiligung der Universität Zürich ein beträchtlicher Teil des Schmelzwassers auf dem Land. Die Folgen sind jedoch gleichwohl negativ: Auf dem Tibetischen Plateau kann es die abflusslosen Seen überlaufen lassen und wertvolles Weideland fluten.

Gletscher sind wichtige Indikatoren für die Klimaänderung. Die Erderwärmung verursacht ein Abschmelzen der Gebirgsgletscher, welches neben den schrumpfenden Grönländischen und Antarktischen Eisschilden als Hauptursache für den gegenwärtigen Anstieg des globalen Meeresspiegels gilt.

Auch in Tibet ziehen sich die Gletscher massiv zurück, wie Wissenschaftler der Universitäten Zürich, Tübingen und Dresden mit satellitengestützten Lasermessungen zeigen. Das Forschungsteam stellt während des letzten Jahrzehnts einen «deutlichen Massenverlust von rund 16 Gigatonnen pro Jahr bei etwa 80 Prozent der tibetischen Gletscher fest», so der an der Studie beteiligte UZH-Glaziologe Tobias Bolch – das ist mehr als das vierfache Wasservolumen des Zürichsees und entspricht rund sechs Prozent des gesamten Massenverlustes aller Gletscher der Erde.

Einige Gletscher in Tibet wachsen

Eine positive Meldung ergaben die Messungen aber ebenfalls: Einige Gletscher im zentralen und nordwestlichen Teil des Tibetischen Plateaus haben an Masse gewonnen. Während die Gletscher im monsungeprägten südlichen und östlichen Teil des Plateaus stark geschmolzen sind, verzeichneten die Wissenschaftler eine ausgeglichene oder leicht positive Bilanz im kontinental geprägten zentralen und nordwestlichen Teil Tibets. Tobias Bolch hält aber klar fest: «Im Schnitt überwog der Massenverlust im gesamten Gebiet deutlich.»

Erfreulich erscheint auf den ersten Blick auch der Nachweis, dass nicht das gesamte Schmelzwasser über die grossen asiatischen Ströme in den Ozean fliesst und den Meeresspiegel ansteigen lässt. «Die Problematik von Überschwemmungen bleibt allerdings bestehen», so Bolch. Denn ein grosser Teil der Schmelze – rund zwei Gigatonnen pro Jahr, wie die Wissenschaftler erstmals quantifizieren konnten – mündet in abflusslose Seen auf dem Plateau und lässt diese über die Ufer treten. «In vielen Gebieten werden dadurch wertvolle Weideflächen unter Wasser gesetzt», sagt der Glaziologe.

Präzise Resultate dank einer kombinierten Messmethode

Die Gletscher des Tibetischen Plateaus haben eine Ausdehnung von rund 40’000 Quadratkilometern. Sie machen über einen Drittel der Eisbedeckung Hochasiens aus und entsprechen rund der 20-fachen Eisfläche der Alpen. Das internationale Forscherteam wertete für die Studie satellitengestützte Lasermessungen der Gletscheroberflächen auf dem tibetischen Plateau zwischen 2003 und 2009 aus. «Mit Hilfe der Lasermessungen konnten wir die zeitlichen Änderungen der Gletscherhöhen und – in Kombination mit einem detaillierten Gletscherinventar – die Massenveränderungen der nur schwer zugänglichen Gletscher Tibets abschätzen», erklären die beteiligten Tübinger Wissenschaftler Niklas Neckel und Jan Kropacek die Messmethode.

Die Ergebnisse, die jetzt in den «Environmental Research Letters» publiziert sind, stehen im scheinbaren Widerspruch zu den Daten einer Satellitenmission, die auf anderen Messmethoden beruht und die einen leichten Massenzuwachs des Gletschereises für den beinahe identischen Zeitraum aufzeigt. Für Bolch hängen die unterschiedlichen Messwerte mit der Schmelzwassermenge zusammen, die auf dem Plateau zurückbleibt und nicht ins Meer abfliesst – und die nun sein Team erstmals präzise messen konnte. Er führt die Daten der anderen Studie, die auf ein Gletscherwachstum deuten, eher auf andere Einflüsse auf die Berechnungen zurück – wie etwa einen Anstieg des Niederschlags.

Literatur:
Niklas Neckel, Jan Kropacek, Tobias Bolch and Volker Hochschild. Glacier mass changes on the Tibetan Plateau 2003 – 2009 derived from ICESat laser altimetry measurements. Environmental Research Letters. January 16, 2014

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neuartiges Material für nachhaltiges Bauen

Innovativer Werkstoff für eine energieeffiziente Architektur: Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) stellen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications ein polymerbasiertes Material mit besonderen Eigenschaften vor. Das…

Neues Antibiotikum gegen Erreger der Flussblindheit und Lymphatischen Filariose

Prof. Achim Hoerauf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des Universitätsklinikums Bonn (UKB), und seinem Team ist es in Kollaboration mit der Abteilung Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie…

Evolutionäre Genomik: Folgen biodiverser Fortpflanzungssysteme

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Einrichtung eines neuen Graduiertenkollegs (GRK) in der Biologie an der Universität Göttingen. Das GRK mit dem Titel „Evolutionary Genomics: Consequences of Biodiverse Reproductive Systems…

Partner & Förderer