Possierlich und wehrhaft zugleich – eine rätselhafte Säugetierart, die vor rund 165 Millionen Jahren lebte

Lebendrekonstruktion von Megaconus mammaliaformis: An den Hinterläufen verfügte das Tier über giftige Sporne zur Abwehr seiner Feinde.<br>Grafik: April M. Isch/University of Chicago<br>

Die Höcker auf seinen Zähnen verraten eine ungewöhnlich frühe Spezialisierung auf Pflanzennahrung. Mit seinem flauschigen Fell sah das Tier recht possierlich aus, verfügte an den Hinterläufen aber über giftige Sporne zur Abwehr seiner Feinde. Die Ergebnisse werden nun im renommierten Fachmagazin „Nature“ vorgestellt.

Von dem längst ausgestorbenen Säugetier war lange nicht mehr bekannt als ein paar kleine Zähnchen mit auffallenden Höckern auf den Kauflächen. „Weit mehr als 100 Jahre rätselten Paläontologen, wie das dazugehörige Tier wohl ausgesehen haben mag“, sagt Prof. Dr. Thomas Martin vom Steinmann-Institut der Universität Bonn. Licht ins Dunkel kam, als ein vollständig erhaltenes Skelett des rätselhaften Säugetiers von Einheimischen in Nordost-China gefunden wurde und vom Paläontologischen Museum von Liaoning angekauft werden konnte.

Zusammen mit den Wissenschaftlern Dr. Shang-Fu Zhou und Dr. Shaoyuan Wu von der Shenyang Normal University sowie Prof. Dr. Zhe-Xi Luo von der Universität Chicago (USA), der als Gastforscher an der Universität Bonn tätig war, bearbeitete Prof. Martin das rund 165 Millionen Jahre alte Fossil. Die Forscher untersuchten das Skelett mit Mikroskopen und durchleuchteten es mit einem Mikro-Computertomographen. Wie bei anderen frühen Formen der Säugetiere auch, war bei Megaconus das Mittelohr noch fest mit dem Unterkiefer verbunden.

Zahnhöcker zeigen, dass es sich um kein primitives Säugetier handelt

Der Name „Megaconus“ rührt von „großer Höcker“ her. Die vorderen Backenzähne sind mit auffallenden Buckeln ausgestattet. Damit zerquetschten diese Tiere harte pflanzliche Nahrung. Die hinteren Backenzähne haben längs angeordnete Höckerreihen und weisen darauf hin, dass Megaconus mammaliaformis mit einer Längsbewegung seiner Kiefer zähe Pflanzen zermahlte. Es handelt sich dabei um eine ungewöhnliche Spezialisierung des Gebisses, da sich die ursprünglichen Säugetiere vor allem von Insekten ernährten.

„Anhand des Fundes konnten wir zeigen, dass es sich bei dieser frühen Form um kein primitives Säugetier handelte“, sagt der Paläontologe der Universität Bonn. Spezialanpassungen seien kein Privileg moderner Säugetiere. Wie beim ausgestorbenen Megaconus mammaliaformis gab und gibt es Backenzähne mit solchen Höckerreihen auch noch bei anderen Säugetieren, wie etwa den ebenfalls ausgestorbenen Multituberculaten, aber auch heutigen Nagetieren. „Das zeigt, dass komplexe Strukturen in der Evolution mehrfach voneinander unabhängig auftreten können“, sagt Prof. Martin.

Sporne mit Giftdrüsen schützten vor Fressfeinden

Das hochspezialisierte Säugetier war etwa so groß wie eine Ratte und verfügte über ein weiches Fell. Auf der Gesteinsplatte mit dem Skelett sind die Haare noch klar zu erkennen. „Vor dem letzten gemeinsamen Vorfahren der modernen Säugetiere gab es also schon Vertreter, die über ein Fell verfügten, heute aber ausgestorben sind“, sagt Prof. Martin. Megaconus mammaliaformis hat sich offenbar gemächlich auf dem Boden fortbewegt, berichtet der Paläontologe der Universität Bonn. Behände wie ein Eichhörnchen von Ast zu Ast springen konnte er aber nicht: Dafür waren die Krallen zu wenig gekrümmt, außerdem waren Schien- und Wadenbein fest miteinander verwachsen.

„Bei guten Kletterern müssen beide Unterbeinknochen gegeneinander flexibel sein“, erläutert Prof. Martin. Da ihm diese Beweglichkeit in den Beinen fehlte, konnte sich das flauschige, rund 250 Gramm leichte Tierchen Beutegreifern nicht durch Flucht auf einen Baum entziehen. Trotzdem war der possierliche frühe Säugetiervertreter keine leichte Beute für Fressfeinde: An seinen Hinterläufen befanden sich Sporne mit Giftdrüsen, die offenbar der Verteidigung dienten.

Publikation:
A. Jurassic Mammaliaform and the Earliest Mammalian Evolutionary Adaptations, Fachjournal “Nature”, DOI: 10.1038/nature12429
Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Martin
Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie
und Paläontologie der Universität Bonn
Tel. 0228/734803
E-Mail: tmartin@uni-bonn.de

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Klaus Herkenrath idw

Weitere Informationen:

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