Mysteriöse Löcher im Eis – es gibt eine natürliche Erklärung

Eisloch in einem Berliner See <br>Gesine Wiemer/FVB

Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei können erklären, wie diese Löcher entstehen: Meistens gibt es im Winter einen allmählichen Temperaturrückgang, bei dem auch der Seegrund in flachen Bereichen auskühlt.

Dieser Winter war zum Jahresende jedoch noch recht mild und der Boden des Sees nicht sehr kalt. Zum Jahreswechsel gab es eine abrupte Abkühlung, so dass sich in den ersten Januartagen schnell eine ca. 20 cm starke Eisdecke gebildet hat, die kaum von Schnee abgedeckt war. Der ohnehin recht warme Grund des Sees ist durch die Sonnenstrahlung, die durch das schneefreie Eis eindringen konnte, in den flacheren Seebereichen zusätzlich erwärmt worden, so dass unmittelbar über dem Seeboden das Wasser auf über 4°C erwärmt wurde.

Damit entstand im gesamten Freiwasser unter dem Eis eine so genannte Konvektionströmung, die das wärmere Wasser im Zentrum der Konvektionszellen beständig nach oben transportiert. (Man kann diesen äußerst effektiven Transportprozess auch in einem von unten erwärmten Wasserkochtopf beobachten.) Der aufwärtsgerichtete „Warmwasser“-Strahl schmilzt sich von unten durch die Eisdecke. Daher stammt auch das charakteristische sternförmige Muster auf der Eisoberfläche, das die konvektive Strömung unter dem Eis widerspiegelt.

Ähnliche Muster kann man auch in einem ganz einfachen Experiment zuhause reproduzieren: Man gießt einen Schluck kalter Milch in eine Tasse heißer Schokolade und sieht die Konvektionszellen, wenn sich die Schokolade nur langsam mit der Milch vermischt. Das bei milden Lufttemperaturen offene symmetrische Loch kann je nach Ausmaß der Konvektionszellen eine Größe von wenigen Zentimetern bis wenigen Metern erlangen und bei starkem Frost auch wieder zufrieren.

Die wohl erste dokumentierte Beobachtung solcher Strukturen stammt aus dem Jahr 1909 von dem Österreichischen Limnologen Götzinger, der dem Phänomen den Namen „Dampflöcher“ gegeben hat – ein deutscher Bergriff, der auch heute noch in der englischsprachigen Fachliteratur auftaucht. Wie die Löcher aber entstehen, war lange unklar, bis schließlich Meteorologen auf die richtige Spur gestoßen sind. Sie zogen Parallelen zur Entstehung von Wolken in der unteren Atmosphäre und damit kam das Stichwort „Konvektion“ ins Spiel. Einer der Ersten, der die Schmelzstrukturen von Flachgewässern wissenschaftlich abgehandelt hat, war der Geophysiker Alfred Woodcock, in dessen Arbeit von 1965 ein Foto abgebildet ist, das den Bildern vom ufernahen Eis in Berlin im Januar 2009 völlig gleicht.

Ansprechpartner:
Dr. Georgiy Kirillin
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei im Forschungsverbund Berlin e.V
Tel.: (030) 64 18 16 90
E-Mail: kirillin@igb-berlin.de

Media Contact

Gesine Wiemer Forschungsverbund Berlin e.V.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer