Schutz von Netzen gegen kaskadenartigen Ausfall

Dresdner Max-Planck-Wissenschaftler entwickelt Methode, die geeignet sein könnte, Strom- oder Computernetze bei Angriffen vor dem Zusammenbruch zu schützen

Netzwerke, wie das Stromnetz oder das Internet, sind komplexe, empfindliche Gebilde. Sie bestehen aus Knoten, also Servern oder Kraftwerken, die wieder mit anderen Knoten verbunden sind. Diese Netzwerke sind empfindlich gegen sich wellenartig ausbreitende Ausfälle, die dann eintreten, wenn große, stark vernetzte Knoten abrupt vom Netz getrennt werden. Adilson Motter vom Dresdner Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme hat jetzt mit einem Computermodell gezeigt, dass es möglich sein könnte, eine solche Kettenreaktion in Strom- oder Computernetzen zu verhindern. Dazu müsste man unmittelbar nach einem Angriff bzw. Ausfall sofort periphere Knoten im Netz abschalten, ähnlich wie man einen Waldbrand mit Gegenfeuern unter Kontrolle bringen kann (Physical Review Letters, 27. August 2004).

In Stromnetzen oder Computernetzwerken kann der Zusammenbruch des Netzes durch den Ausfall eines oder einiger weniger Knoten ausgelöst werden. Denn obwohl diese einzelnen Ausfälle kaum Auswirkungen auf die Verbindungen im Netz haben, können sie eine Kettenreaktion weiterer Ausfälle auslösen, die schließlich zum Zusammenbruch des gesamten oder zumindest von großen Teilen des Netzes führen können, wie am 14. August 2003 das Stromnetz im Nordosten der USA oder später in verschiedenen westeuropäischen Ländern.

Motter, Gastwissenschaftler an dem Dresdner Max-Planck-Institut, der sich seit Jahren mit der Struktur und Dynamik komplexer Netzwerke beschäftigt, zeigte mit einem idealisiertes Modell, dass es auch in Infrastrukturnetzen, wie Stromnetzen oder Computernetzwerken, möglich sein könnte, die kettenreaktionsartige Ausbreitung eines Ausfalls, ausgelöst durch Angriffe auf zentrale Knoten, wirkungsvoll zu unterdrücken, wenn man unmittelbar nach den ersten Angriffen oder Ausfällen periphere Knoten in diesem Netzwerk abschaltet.

In diesen Netzwerken sind einzelne Knoten stärker belastet als andere. Bisherige Studien hatten bereits gezeigt, dass sich der Ausfall solcher zentraler Knoten – wie der backbone router im Internet – kaskadenartig ausbreitet und in einer Kettenreaktion immer mehr Ausfälle erzeugen kann. Hingegen hat der Ausfall peripherer Knoten wenig Folgen. Motter zeigt jetzt, dass die gezielte Abschaltung peripherer Knoten nach dem ersten Ausfall, also noch vor der Ausbreitung der Kettenreaktion, der Schlüssel sein könnte, um das Ausmaß der Katastrophe zu beschränken.

Seine Methode der so genannten „Kaskaden-Kontrolle“ beruht auf der Beobachtung, dass periphere Knoten wesentlich zur Gesamtlast beitragen und ihre Abschaltung deshalb die Gefahr einer gefährlichen Überlast für das Gesamtnetz verringern kann. Umgekehrt kann das selektive Unterbrechen der Verbindungen zwischen den Knoten die Ausbreitung der Kaskade einschränken. Die Methode ähnelt damit dem Vorgehen bei Waldbränden, diese durch das Legen von Gegenfeuern und das Schlagen von Schneisen unter Kontrolle zu bringen.

Die neuen Forschungsergebnisse könnten potentiell geeignet sein, das Ausmaß kaskadenartiger Ausfälle, wie sie zum Beispiel durch Hacker im Internet oder Terroristen in Stromnetzen verursacht werden könnten, zu begrenzen.

Originalveröffentlichung: A.E. Motter, Cascade control and defense in complex networks, Physical Review Letters 93, 098701 (2004)

Media Contact

Dr. Andreas Trepte idw

Weitere Informationen:

http://www.mpipks-dresden.mpg.de

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