Ungenießbare Beute – Chemisches Abschreckungsmittel des Schneeflohs identifiziert

Schneeflöhe halten sich Fressfeinde mithilfe von Sigillinen, einer neuen, ganz eigene Naturstoffklasse, vom Leibe. (c) Wiley-VCH

Der Schneefloh ist eine winteraktive Art aus der Klasse der Springschwänze. Zwischen Dezember und März sind die knapp 2 mm langen, dunkelvioletten Tierchen in den Böden von Wäldern, vor allem nördlich der Alpen, auch noch bei leichten Minusgraden aktiv und fressen Mikroorganismen. Im Verlaufe des Februar und März gehen sie zu Millionen als große Kolonien auf Schnee und Matsch auf Wanderschaft.

Um ihren Fressfeinden, wie Spinnen, Pseudoskorpionen, Hundertfüßlern und Milben, zu entkommen, katapultieren sie sich mit der Sprunggabel an ihrem Hinterleib mehrere Zentimeter weit weg. Daneben haben die Schneeflöhe einen chemischen Verteidigungsmechanismus, mit dem sie ihren Feinden den Appetit verderben. Ihre chemischen Waffen sind dabei anders als alle bisher bekannten Repellents verwandter Arten.

Wissenschaftler von der TU Braunschweig und der FU Berlin haben das Geheimnis jetzt gelüftet. Im Extrakt von Schneeflöhen, die von Jürg Zettel (Universität Bern, Schweiz) gesammelt worden waren, fiel den deutschen Forschern um Stefan Schulz eine ungewöhnliche Verbindung auf.

Sie isolierten diese Komponente und entlockten ihr mit chemischen und spektroskopischen Methoden nach und nach die Summenformel und diverse strukturelle Charakteristika, die sie zu vier möglichen Strukturvorschlägen kombinierten.

Eine Computersimulation der entsprechenden Infrarotspektren und ein der Vergleich mit dem gemessenen Spektrum ergab einen Treffer für eine der Strukturen, die die Forscher in Anlehnung an den lateinischen Namen des Schneeflohs, Ceratophysella sigillata, Sigillin A tauften.

Eine röntgenkristallographische Untersuchung bestätigte die vermutete Struktur. In einem Versuch mit Ameisen als Modell-Raubinsekten zeigte sich, dass die Tiere Futter, das mit Sigillin A behandelt worden war, nach kurzer Zeit mieden.

Neben Sigillin A fanden die Forscher im Extrakt der Schneeflöhe acht weitere eng verwandte Verbindungen in geringer Konzentration, die sie als Sigillin B bis J bezeichneten. Die Sigilline sind eine neue, ganz eigene Naturstoffklasse.

Herzstück der Struktur ist ein so genanntes Octahydro-Isocumarin, ein spezielles Gerüst aus zwei Sechsringen. Je nach Verbindung trägt es vier bis sechs Chloratome in verschiedenen strukturellen Variationen. Sigillin A etwa verfügt über eine Trichloromethylcarbinol-Gruppe, eine Struktur, die in der Natur sehr selten vorkommt.

Die Forscher entwickelten einen Syntheseweg zur Herstellung des Grundgerüsts der Sigilline ausgehend von bekannten Bausteinen und gängigen Reagenzien.

Angewandte Chemie: Presseinfo 17/2015

Autor: Stefan Schulz, TU Braunschweig (Germany), http://www.oc.tu-bs.de/schulz/

Permalink to the original article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201501719

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.

Media Contact

Dr. Renate Hoer GDCh

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer