Und es gibt sie doch!

Die „Ufosan“-Struktur der neuartigen Bismutverbindung in schematischer Darstellung (Abbildung: AG Dehnen)

Bismut ist ein Metall, das unter anderem in Legierungen Verwendung findet; seine Verbindungen kommen auch in Medikamenten zum Einsatz.

Im Gegensatz zu nah verwandten Elementen kennt man vom Bismut bislang keine polyzyklischen Polyanionen – das sind Moleküle, bei denen die beteiligten Atome mehrere, miteinander zu einem Käfig verschmolzene Ringe bilden, wobei der Gesamtverbund eine negative Ladung trägt.

„Der Grund, warum bisher keine polyzyklischen Bismut-Polyanionen gefunden werden konnten, ist letztendlich nicht wirklich klar“, schreibt das Marburger Autorenteam. „Offenbar fehlten lediglich die richtigen Ansätze, um solch ein Anion im Labor zu synthetisieren.“

Das hat die Arbeitsgruppe mit ihrer aktuellen Publikation geändert. Ihr gelang erstmals die Synthese eines polyzyklischen Anions mit elf Bismutatomen, dessen Struktur einem leichteren Analogon mit Phosphor entspricht, welches als „Ufosan“ in die Fachliteratur eingegangen ist. Die externen Gutachter der Zeitschrift zeigten sich beeindruckt: „Ich bin überzeugt, dass dieses Beispiel Eingang in die Lehrbücher der Anorganischen Chemie finden wird“, schrieb einer der Experten.

Ähnlich enthusiastisch nahmen die Fachkollegen die zweite Neuheit aus den Laboren der Marburger Chemie auf: die Synthese einer Verbindung, in der Blei tetraedrisch von vier Selenatomen umgeben ist, an die es unter Verwendung aller Außenelektronen bindet; „das ist für Bleiatome ein sehr ungewöhnliches Verhalten, wie man es bisher nur mit solchen Elementen beobachten konnte, die viel besser als Selen in der Lage sind, dem zentralen Bleiatom die Bindungselektronen zu entreißen“, erläutert Seniorautorin Stefanie Dehnen.

Entgegen aller Erwartungen halten sich die tiefroten Kristalle, die das Team herstellte, unter geeigneten Bedingungen monatelang, wie die Autoren berichten. „Das Manuskript birgt das Potenzial, seinen Weg in künftige Chemielehrbücher zu finden“, urteilte auch hier ein Gutachter.

Stefanie Dehnen lehrt Anorganische Chemie an der Philipps-Universität, wo sie außerdem als geschäftsführende Direktorin des „Wissenschaftlichen Zentrums für Materialwissenschaften“ sowie als Vizesprecherin des Graduiertenkollegs „Funktionalisierung von Halbleitern“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (GRK 1782) amtiert. Auch in der breitenwirksamen Vermittlung ihrer Forschung ist die Hochschullehrerin aktiv: Dehnen ist die Direktorin des Mitmachlabors „Chemikum Marburg“.

Originalveröffentlichungen:
Bastian Weinert & al.: Formation of (Bi11)3–, A Homoatomic, Polycyclic Bismuth Polyanion, by Pyridine-Assisted Decomposition of (GaBi3)2–, Angewandte Chemie 2014, DOI: 10.1002/anie.201310456

Günther Thiele, Thomas Krüger & Stefanie Dehnen: K4[PbSe4]∙en∙NH3: A Non-Oxide, Non-Halide Inorganic Lead(IV) Compound, Angewandte Chemie 2014, DOI: 10.1002/ anie.201310455

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professorin Dr. Stefanie Dehnen,
Fachgebiet Anorganische Chemie
Tel.: 06421 28-25751
E-Mail: dehnen@chemie.uni-marburg.de
Homepage: http://www.uni-marburg.de/fb15/ag-dehnen

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Johannes Scholten idw - Informationsdienst Wissenschaft

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