Transport von Botenstoffen im Gehirn entschlüsselt

Zunächst öffnet sich die externe Klappe, der Neurotransmitter wird locker gebunden. Dann verschließt die Klappe die Bindungstasche für den Transmitter: Jetzt ist er besonders fest gebunden. Quelle: Forschungszentrum Jülich<br>

Im zentralen Nervensystem des Menschen kommunizieren Nervenzellen untereinander mithilfe von spezialisierten Botenstoffen, sogenannten Neurotransmittern. Ein besonders wichtiger ist die Aminosäure Glutamat.

Wird eine Nervenzelle aktiviert, gibt sie Glutamat in den sogenannten synaptischen Spalt frei. Der Botenstoff muss diesen kleinen Raum zwischen den Zellen zur Weiterleitung des Signals überwinden. Sobald er die nächste Zelle erreicht, wird dort ein neues Signal ausgelöst.

Damit die Ausschüttung von Botenstoffen die nachgeschaltete Zelle nicht dauerhaft erregt, muss das freigesetzte Glutamat schnell wieder aus dem synaptischen Spalt entfernt werden. Dafür sind spezielle Transportmoleküle notwendig, die Glutamat dort binden und in das Innere der Zellen verfrachten. Die Jülicher Forscher haben mithilfe von Fluoreszenzspektroskopie in Echtzeit beobachtet, wie die Neurotransmitter an ein verwandtes Transportmolekül binden, das in Bakterien vorkommt. So ließ sich aufklären, wie diese Transporter zwischen verschiedenen Neurotransmittern unterscheiden.

An der Oberfläche der Transporter befindet sich ein klappenähnlicher Fortsatz. Nachdem Glutamat gebunden hat, schließt sich diese Klappe und verhindert so, dass es sich sofort wieder lösen kann. Daraufhin bewegt sich dieser Bereich des Transporters wie ein Kolben nach innen, um Glutamat in das Zellinnere freizugeben. Damit diese Freisetzung von Glutamat schnell genug ist, darf die Bindung nicht zu stark sein. Andererseits muss der Transporter aus dem großen Angebot der Moleküle im synaptischen Spalt gezielt Glutamat auswählen – was wiederum eine relativ feste Bindung des Botenstoffes erfordert. Die Transport-Moleküle lösen diesen scheinbaren Widerspruch durch die Kombination aus einer anfänglich schwachen Bindung und einem schnellen Einschluss durch die bewegliche Klappe.

Der Mechanismus bietet laut Prof. Christoph Fahlke vom ICS auch einen medizinischen Ansatzpunkt. Bei bestimmten Krankheiten wie Schlaganfällen leiten einige Transporter Glutamat in die falsche Richtung und verursachen so übermäßig hohe Glutamat-Konzentrationen im synaptischen Spalt. Die neuen Erkenntnisse könnten bei der Entwicklung neuer Arzneimittel helfen, die diese Transporter gezielt hemmen und so die Nervenzellen vor Schaden bewahren.

Originalveröffentlichung:

David Ewers, Toni Becher, Jan-Philipp Machtens, Ingo Weyand, and Christoph Fahlke
Induced fit substrate binding to an archeal glutamate transporter homologue
PNAS 2013 110 (30) 12486-12491 (published ahead of print July 9, 2013)
DOI:10.1073/pnas.1300772110
www.pnas.org/content/110/30/12486.full?sid=283b90a1-463e-451b-abb2-ea16824f22ae

Weitere Informationen:
Informationen zum Institute of Complex Systems, Bereich Zelluläre Biophysik (ICS-4): http://www.fz-juelich.de/ics/ics-4/DE/
Ansprechpartner:
Prof. Christoph Fahlke
Tel. 02461 61-3016
c.fahlke@fz-juelich.de
Pressekontakt:
Tobias Schlößer
Tel.: 02461 61-4771
t.schloesser@fz-juelich.de

Media Contact

Tobias Schlößer Forschungszentrum Jülich

Weitere Informationen:

http://www.fz-juelich.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer