Genom-Editierung: Sichere und effiziente CRISPR-Experimente in Mauszellen

Effiziente Anwendung von CRISPR/Cas9 bei primären Zellen. Grafik: Robin Graf, MDC

Das Team hat außerdem ein neues Mausmodell entwickelt, das das Cas9-Protein bereits in sich trägt. Wird es mit den verlässlichen RNA-Sequenzen kombiniert, lassen sich Gene in primären Zellen sehr effizient ausschalten. Auf diese Weise konnten die Forscher neue Gene in der Regulation von Immunzellen entdecken.

Mit der Entdeckung des CRISPR-Cas9-Systems wurde für viele Molekularbiologen ein Traum wahr: Endlich kann man die DNA gezielt, einfach und schnell schneiden und Gene ausschalten, modifizieren oder neu einsetzen.

Dazu ist wenig mehr nötig als ein RNA-Schnipsel aus dem Erbgut, der die Genschere Cas9-Protein an die zu schneidende Stelle auf der DNA führt. Dieser RNA-Schnipsel mit dem Namen sgRNA (single guide-RNA) besteht unter anderem aus etwa 20 chemischen Bausteinen und musste von Forschern bisher mühsam per Hand oder mit einer Reihe vorhandener Online-Tools entworfen werden. Häufig war dann unsicher, ob die sgRNA die Cas9-Genschere an die richtige Stelle führt oder an einen ähnlichen, aber unerwünschten Ort im Genom. Außerdem funktionierten viele sgRNAs aufgrund ihrer biochemischen Eigenschaften nur mit niedriger Effizienz.

Das neue Programm „CrispRGold“, das der Doktorand Robin Graf aus der MDC-Forschungsgruppe von Prof. Klaus Rajewsky geschrieben hat, erleichtert es erheblich, Gene gezielt auszuschalten.

Das Programm sucht in einer vorgegebenen DNA-Zielsequenz die geeignetste Stelle für den Schnitt, und schlägt eine sgRNA-Sequenz vor, die im Erbgut einzigartig ist und somit das Cas9-Protein nur an die gewünschte Stelle führt. Dort kann Cas9 dann das Gen zerschneiden, das damit seine Funktion verliert. Anders als vergleichbare Programme stützt sich der Algorithmus auf experimentelle Daten, insbesondere zur Bestimmung der Einzigartigkeit der Sequenzen.

Zusammen mit seinem Kollegen Dr. Van Trung Chu prüfte Graf das System an bestimmten weißen Blutkörperchen der Maus, den B-Zellen. Solche Zellen lassen sich oft nicht über längere Zeit kultivieren, überleben also nicht lange im Reagenzglas. Aus diesem Grund müssen Gene schnell und in möglichst vielen Zellen inaktiviert werden, um deren Funktion zu erforschen. Um dies zu erreichen, züchtete Chu eine genetisch modifizierte Mauslinie, die besonders hohe und zugleich gut verträgliche Mengen der Cas9-Genschere selbst produziert. Von ihr isolierten die Forscher die B-Zellen, um einzelne Gene gezielt abzuschalten. Die mit CrispRGold erstellten sgRNAs zerstörten reproduzierbar in durchschnittlich 80 Prozent der Zellen die Zielgene – „eine hervorragende Rate“, sagt Graf. „Für diese Art von Experimenten mit niedrigem Durchsatz sind hohe Präzision und niedrige Fehlerrate absolut notwendig.“

Mit ihrer neuen Methode identifizierten die Forscher eine Reihe zuvor unbekannter Gene, die eine Rolle bei der B-Zell-Entwicklung spielen. Die Forscher werden das CrispRGold-Programm nun auch online zur Verfügung stellen, damit es von Wissenschaftlern weltweit genutzt werden kann: „Das Programm ist problemlos für andere Typen von Zellen aus verschiedensten Organismen nutzbar. Außerdem könnte es auch für klinische Anwendungen interessant sein: Das Programm behandelt die Einzigartigkeit der Sequenzen mit höchster Priorität und minimiert somit das Risiko von potenziellen unerwünschten Genmodifikationen, die in der Gentherapie unbedingt vermieden werden müssen“, sagt Graf. CrispRGold wird voraussichtlich Anfang November unter http://crisprgold.mdc-berlin.de verfügbar sein.

Van Trung Chu, Robin Graf et al. (2016): „Efficient CRISPR-mediated mutagenesis in primary immune cells using CrispRGold and a C57BL/6 Cas9 transgenic mouse line.“ PNAS.

http://crisprgold.mdc-berlin.de – Das CrispRGold Webtool
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1613884113 – Die Publikation bei PNAS
https://insights.mdc-berlin.de/de/2016/10/genom-editierung-effiziente-crispr-exp… – Pressemitteilung auf den Seiten des MDC

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Vera Glaßer Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft

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