Gen-Funktion erstmals am gesamten Erbgut untersuchbar

Mit Hilfe einer neuen Methode ist es dem IMBA-Stammzellforscher Jürgen Knoblich gelungen, Funktionen von Genen in einem Organismus erstmals über das gesamte Erbgut gleichzeitig zu untersuchen.

Damit ist es den Wissenschaftlern nun möglich festzustellen, welche Gene für welche Erkrankungen verantwortlich sind. Im Fachmagazin Nature beschreiben die Forscher die Funktionen von 2.600 der etwa 13.000 bekannten Gene im Fliegengenom sowie deren Vernetzungen zueinander.

„Seit knapp neun Jahren kennen wir alle Gene des Menschen“, so Knoblich im pressetext-Interview. Welche Funktionen jedes dieser Gene im Organismus hat, war allerdings zum Großteil unklar. „Bisher musste man jedes Gen einzeln ausschalten um an seine Funktion zu gelangen“, erklärt der Stammzellforscher. „Wir wollten aber nicht nur einzelne Gene isoliert betrachten, sondern ihre Funktionen in einem systembiologischen Zusammenhang, also ganzheitlich zu betrachten.“ Dazu eignet sich die Fruchtfliege Drosphila, denn sie ist im Vergleich zum Menschen wesentlich besser untersucht. „Was uns am meisten interessiert hat, war die Frage, wie die Zellteilung vor allem in Stammzellen kontrolliert wird und wie diese Kontrolle bei Krebs verloren geht“, so Knoblich.

Die außergewöhnlich umfangreiche Gen-Analyse wurde nur durch die Nutzung der vom Neurobiologen Barry Dickson generierten Fliegenbibliothek des IMP-IMBA möglich. „Diese Sammlung von Fliegenstämmen wird derzeit vom Vienna Drosophila RNAi Center betreut und macht Wien zu einem weltweiten Zentrum der Drosophila-Forschung. In dieser Bibliothek sind über 20.000 Fliegenstämme enthalten, mit denen jeweils genau ein einziges Gen abgeschaltet werden kann“, erklärt der Wissenschaftler. Durch einen genetischen Trick passiert diese Abschaltung nur in einem ganz bestimmten Gewebe und es kann die Funktion von Genen in ganz bestimmten Organen untersucht werden.

„Kern unseres Projekts war der so genannte Notch-Delta-Pathway. Diese Signalkette ist beim Menschen essenziell am Tumorwachstum sowie an zahlreichen Erbkrankheiten beteiligt“, führt der Wissenschaftler aus. In der Fliege hingegen kontrolliert derselbe Weg die Anzahl der Rückenhaare. „Wenn man also veränderte Borsten auf Fliegen findet, weiß man, ob man ein Gen gefunden hat, das wahrscheinlich diesen Signalweg beeinflusst.“ Eine Untersuchung der veränderten Borstenmuster ist wesentlich schneller durchzuführen, als aufwendige Messungen der Tumorentstehung.

Mit Hilfe von weiteren Indikatoren haben die Forscher aus den riesigen Datenmengen die für den untersuchten Signalweg relevanten Gene herausgefiltert. „Die netzartigen Beziehungen dieser Gene zueinander haben wir auf einer Art Landkarte dargestellt“, so Knoblich. „Jedes Symbol im Netzwerk entspricht einem Gen und die Verbindungslinien deuten deren Beziehung zueinander an.“ In Zukunft will sich Knoblich einzelne Vernetzungen genauer ansehen, um zu klären, welche dieser Gen-Netzwerke für die Tumorentstehung und Stammzellkontrolle beim Menschen relevant sind.

„Wir wollen genauer wissen, was die zu einer Krankheit gehörigen Gene im Körper bewirken und welche biochemischen Wege und Signalketten gestört werden“, erklärt der Wissenschaftler. „Nur wenn wir die Funktion und Vernetzung von Genen im gesunden Organismus verstehen, können wir erklären warum sie für bestimmte Krankheiten verantwortlich sind und letztendlich ihre Funktion durch Medikamente wieder in Gang bringen.“

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Wolfgang Weitlaner pressetext.austria

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