Forscher entdecken neue Retroviren bei Eisbär Knut und Panda Bao Bao

Auch bei dem Pandabären Bao Bao fanden sich diese Viren. Dass sich diese Viren vor etwa 45 Millionen Jahren in das Genom eines Vorfahren der Bären eingebaut haben, zeigen die Forscher in einer Studie in der Fachzeitschrift Virology. Zudem sind die Viren denen im Erbgut von Fledermäusen, Rindern und sogar Menschen sehr ähnlich. Beim Menschen stehen einige von ihnen im Verdacht, Krankheiten mit auszulösen.

Gemeinsame Pressemeldung der Universität des Saarlandes und
des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
Endogene Retroviren (ERV) sind Viren, die sich einst in das Genom von Keimzellen ihres Wirts eingebaut haben. So konnten sie von da an von einer Generation an die nächste, über die Evolution hinweg an neu entstehende Arten vererbt werden. „Solche von Retroviren abstammenden Sequenzen machen etwa acht Prozent des menschlichen Erbguts aus“, erläutert Professor Jens Mayer vom Institut für Humangenetik an der Universität des Saarlandes. Endogene Retroviren finden sich aber nicht nur bei Menschen, sondern auch bei anderen Säugetieren, wie zum Beispiel bei Pferden, Rindern, Affen, Koalabären – oder eben Eis- und Pandabären.

In Zusammenarbeit mit Professor Alex Greenwood und Kyriakos Tsangaras vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin hat Jens Mayer von der Universität des Saarlandes DNA-Sequenzen von Eisbären und Großen Pandabären genauer untersucht. „Wir haben hierbei die Abschnitte des endogenen Retrovirus bei beiden Bärenarten charakterisiert und dabei zum Beispiel eine starke Ähnlichkeit der Sequenzen festgestellt, was auf eine enge Verwandtschaft hindeutet“, berichtet der Humangenetiker Jens Mayer. Auch bei weiteren Bärenarten wie dem Braun-, Schwarz- und Brillenbär konnten die Forscher solche Sequenzen nachweisen. „Mit molekularen Datierungsmethoden haben wir anschließend herausgefunden, dass sich das Retrovirus vor ungefähr 45 Millionen Jahren in das Erbgut eines Vorfahrens heutiger Bärenarten integriert hat“, erklärt Alex Greenwood. Zudem haben die Forscher gezeigt, dass das damals vorkommende Retrovirus eng verwandt mit denen ist, die im Genom von Fledermäusen und Rindern zu finden sind. Interessant ist darüber hinaus die Tatsache, dass diese in Bären gefundenen Viren starke Ähnlichkeit mit verschiedenen im menschlichen Erbgut vorkommenden endogenen Retroviren aufweisen. „Beim Menschen stehen manche dieser Sequenzen im Verdacht, bei der Entstehung von Krebs, neurodegenerativen oder Autoimmunerkrankungen eine Rolle zu spielen“, weiß Jens Mayer.

Umfangreiche Erbgutanalysen in verschiedenen Wildtierarten, wie sie in dieser Studie zum Einsatz kamen, helfen Wissenschaftlern zum einen dabei, die Evolution der Retroviren besser zu verstehen, zum anderen erhält man Erkenntnisse darüber, welche verschiedenen Retroviren vor Jahrmillionen welche Tiergruppen infiziert haben. Darüber hinaus können die gewonnenen Daten auch wertvolle Erkenntnisse zur Entwicklungsgeschichte der Säugetiere liefern. Die Forscher nutzten hierbei verschiedene Methoden der Analyse von DNA-Sequenzen, unter anderem modernste Techniken des Next Generation Sequencing. Hierbei handelt es sich um Verfahren zur hocheffizienten DNA-Sequenzierung.

Neben den Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung waren auch Forscherkollegen folgender Einrichtungen an der Studie beteiligt: Berlin Center for Genomics in Biodiversity Research, das Naturhistorische Museum von Dänemark, das Institut für Biochemie und Biophysik der Universität von Kalifornien, das Berlin Institute for Medical Systems Biology sowie das Institut für Virologie der Freien Universität Berlin.

Hintergrund:
Professor Dr. Jens Mayer forscht am Institut für Humangenetik, im Zentrum für Human- und Molekularbiologie der Universität des Saarlandes. Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Erforschung Humaner Endogener Retroviren (HERV). Mayer geht unter anderem den Fragen nach, wie diese Viren unser Genom verändert haben, welchen Einfluss sie auf die Funktionen des Erbguts nehmen und bei welchen Krankheiten sie womöglich eine Rolle spielen. Seine Fachkenntnisse bei der Analyse des menschlichen Genoms, insbesondere der HERV-Sequenzen, helfen in Studien wie der vorliegenden, die Genome anderer Arten, insbesondere deren Endogene Retroviren zu analysieren.

Professor Alex Greenwood leitet die Abteilung für Wildtierkrankheiten des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin. Ein wichtiger Forschungsaspekt der Abteilung liegt in der Untersuchung der Übertragungen von Krankheitserregern zwischen wildlebenden und domestizierten Tierarten, damit auch Krankheitserregern in Zootieren. Im Rahmen der Forschungsarbeiten finden moderne Methoden der Veterinärmedizin, der molekularen Medizin und der Elektronenmikroskopie Anwendung.

Publikation:
Mayer J, Tsangaras K, Heeger F, Avila-Arcos M, Stenglein MD, Chen W, Sun W, Mazzoni CJ, Osterrieder N, Greenwood AD (2013): A novel endogenous betaretrovirus group characterized from polar bears (Ursus maritimus) and giant pandas (Ailuropoda melanoleuca). Virology 443, 1-10. doi: 10.1016/j.virol.2013.05.008.

Link zur Studie: www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0042682213002675

Fragen beantworten:

Professor Dr. Jens Mayer
Institut für Humangenetik
Zentrum für Human- und Molekularbiologie
Universität des Saarlandes
Telefon: +49 06841 16-26627
E-Mail: jens.mayer(at)uks.eu
Professor Dr. Alex D. Greenwood
Abteilung Wildtierkrankheiten
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
Tel. +49 30 5168 255
E-Mail: greenwood(at)izw-berlin.de
Steven Seet
Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
Tel. +49 30 5168 125
E-Mail: seet(at)izw-berlin.de
Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) ist eine national und international renommierte Forschungseinrichtung, die anwendungsorientierte und interdisziplinäre Grundlagenforschung in den Bereichen Evolutionsökologie und -genetik, Wildtierkrankheiten, sowie Reproduktionsbiologie und -management bei Zoo- und Wildtieren betreibt. Aufgabe des IZW ist die Erforschung der Vielfalt der Lebensweisen, der Mechanismen evolutionärer Anpassungen und der Anpassungsgrenzen inklusive Krankheiten von Zoo- und Wildtieren in und außerhalb menschlicher Obhut sowie ihrer Wechselbeziehungen mit Mensch und Umwelt. Die gewonnenen Erkenntnisse sind Voraussetzung für einen wissenschaftlich begründeten Artenschutz und für Konzepte der ökologischen Nachhaltigkeit der Nutzung natürlicher Ressourcen.

www.izw-berlin.de

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Melanie Löw Universität des Saarlandes

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